Rückkehr als Übermacht - Heynckes: Großer Fußball
Gelsenkirchen (dpa) - Vor dem Anpfiff gab es wütende Pfiffe, am Ende der 0:2 (0:1)-verlorenen Partie stille Resignation. Als der Bus des FC Bayern das Stadiongelände verließ, hatte sich die Aufregung der Schalker Fans um Manuel Neuer längst gelegt.
Nach dem 2:0-Sieg der Münchner beim Revierclub wurde auf den Tribünen mehr über die drohende Langeweile im Titelkampf der Fußball-Bundesliga als über den feindseligen Empfang für den Nationalkeeper an seiner alter Wirkungsstätte diskutiert. Schalkes Sportvorstand Horst Heldt brachte die Stimmung auf den Punkt: „Die Bayern dominieren, und es wird schwierig mitzuhalten. Wie es aussieht, wird es ein Alleingang - fürchte ich.“
Soviel Ehrerbietung des Gegners kam als Einstimmung auf das heimische Oktoberfest gerade recht. Bei der traditionellen Lederhosen-Einkleidung der Profis am Tag nach der Partie für die Wiesn herrschte lockere Stimmung. Neuer hatte schon am Vorabend die Pfiffe und verbale Attacken mit einer Bierruhe erduldet: „Ich wusste, was mich erwartet, dass das Schalker Publikum, dass die Fans sehr emotional sind“, berichtete der Nationaltorhüter , als er in bayerischer Tracht und mit einem Weißbier in der Hand bei einem Sponsorentermin vor der Kamera posierte. „Viel zu tun hatte ich nicht. Wer weiß, wie es gewesen wäre, wenn mich die Schalker mehr beschäftigt hätten. Ich hatte einen ruhigen Abend“, sagte Neuer.
Anders als in der spaßfreien Vorsaison unter Louis van Gaal ist der Rekordmeister auf dem Weg zurück zu alter Stärke. Nahezu mühelos meisterte er auch die knifflige Aufgabe „auf“ Schalke. Trainer Jupp Heynckes geriet ins Schwärmen: „Es war die beste Leistung in dieser jungen Saison. Das ist großer Fußball.“ Ähnlich euphorisch fiel das Urteil von Toni Kroos aus: „Die zweite Halbzeit war fast perfekt.“
Die heftige Schelte der heimischen Fans für ihren einstigen Liebling Neuer, der auf einem an der Nordkurve des Stadions angebrachten rund 70 Meter langen Spruchband als „charakterlose Marionette“ verunglimpft worden war, schien die Bayern eher zu beflügeln als zu lähmen. Tore von Nils Petersen (21. Minute) und Thomas Müller (75.) sorgten in der aufgeheizten Atmosphäre für Ruhe. Beim Trikottausch von Neuer mit seinem Gegenüber Ralf Fährmann nach dem Schlusspfiff im Mittelkreis herrschte Stille in der Arena.
Das empfand auch Trainer Heynckes als Genugtuung. Er mochte sich dennoch Kritik an der Fan-Aktion nicht verkneifen: „Eines kann man Manuel Neuer ganz bestimmt nicht vorwerfen, dass er charakterlos ist. Er ist ein Super-Mensch. Wir haben auch für ihn gespielt.“
Ähnlich cool wie seine Mitstreiter reagierte Neuer auf die Schmähgesänge. Aus alter Verbundenheit mit seinem Ex-Club verzichtete er auf Kritik wegen der Anfeindungen: „Ich wollte professionell sein, wegen dieser Professionalität bin ich zu den Bayern gewechselt. Und ich wollte erfolgreich sein - das waren wir ja heute.“
Angesichts der jüngsten Münchner Bilanz muss der Konkurrenz im Titelkampf angst und bange werden. Die in der Sommerpause gezielt verstärkte Defensive ließ in den ersten sechs Bundesligaspielen lediglich ein Tor zu und bescherte dem FC Bayern damit einen Vereinsrekord. Zum achten Mal in Serie musste Keeper Neuer in einem Pflichtspiel nicht hinter sich greifen. Trotz dieser beeindruckenden Zahlen sieht Trainer Heynckes noch „Luft nach oben“: „Natürlich kann es besser gehen. Wenn Robben, Gomez und Olic wieder zur Verfügung stehen, haben wir mehr Qualität im Kader.“ Ivica Olic ist nach seiner Hüftverletzung schon wieder ins Lauftraining eingestiegen.
Anders als die anderen deutschen Champions-League-Teilnehmer aus Leverkusen und Dortmund, denen der Auftritt auf großer internationaler Bühne schlecht bekam, war beim FC Bayern kein Substanzverlust erkennbar. Das sorgt vor den nun anstehenden wichtigen Heimpartien gegen Leverkusen und Manchester City für zusätzlichen Rückenwind. Der Glaube an sein Team ist auch bei Heynckes mit jedem Spiel gewachsen: „Diese Leistung stimmt mich zuversichtlich für die anstehenden Aufgaben.“