Rückschlag zur Unzeit: HSV schockt Meister Dortmund
Dortmund (dpa) - Der Rückschlag zur Unzeit drückte selbst einer Frohnatur wie Jürgen Klopp mächtig aufs Gemüt. Mit tief ins Gesicht gezogener Schirmmütze kommentierte der Dortmunder Trainer missmutig das deftige 1:4 (1:2) gegen den Hamburger SV.
„Heute ist alles komplett gegen uns gelaufen. Es gehört zum Fußball dazu, dass man solche scheiß Tage erlebt, aber man könnte komplett auf sie verzichten“, sagte Klopp.
Ausgerechnet vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League am Mittwoch bei Schachtjor Donezk ging der Höhenflug seines zuletzt viermal siegreichen Teams zu Ende. Der Fußball-Lehrer brauchte eine Weile, um sich von der höchsten Heimniederlage der Borussia seit dem 1:5 gegen den FC Bayern im September 2009 zu erholen: „Nach dem Schlusspfiff habe ich gemerkt, das Leben geht weiter und endet nicht mit solch einem Dreck.“
Der deprimierende Auftritt seiner Mannschaft taugte wahrlich nicht als Mutmacher für die Reise zum ukrainischen Meister. Die Hamburger Doppel-Torschützen Artjoms Rudnevs (18./62. Minute) und Heung-Min Son (26./89.) bescherten dem ungewohnt schwachen BVB eine missratene Generalprobe. Klopp hofft, dass die bereits dritte Heimschlappe vor den entscheidenden Wochen in der europäischen Meisterklasse und dem Pokal-Hit beim FC Bayern keine bleibenden Schäden hinterlässt: „Wir waren heute nicht gut und haben verdient verloren. Am Mittwoch sollten wir besser sein.“
Vor allem die dürftige Heimbilanz gibt den Dortmundern zu denken. Mittlerweile hat das mit 80 645 Zuschauern zumeist ausverkaufte größte Bundesliga-Stadion seinen Schrecken für den Gegner verloren. Nur zwei der vergangenen sieben Spiele in Dortmund gingen an die Borussia. „Wir dürfen zu Hause einfach keine vier Tore kassieren“, kommentierte Rückkehrer Nuri Sahin im Anschluss an sein Startelf-Debüt, „aber das Positive ist, dass wir am Mittwoch direkt Wiedergutmachung betreiben können.“ Allerdings muss der BVB dabei erneut auf Kevin Großkreutz verzichten.
Für die größte Aufregung sorgten nicht die Tore, sondern die Entscheidungen von Manuel Gräfe. Der Schiedsrichter aus Berlin zückte nach einem Foul von Robert Lewandowski (31.) und minutenlanger Beratung mit seinen Assistenten eine vertretbare Rote Karte, zeigte aber dem mit viel Körpereinsatz protestierenden Rafael van der Vaart nur Gelb.
Van der Vaart gab zu, den Tumult mit provoziert zu haben: „Der Schiedsrichter wollte keine Rote geben. Da habe ich ein wenig Theater gemacht“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Auf dieses Geständnis reagierte Klopp einen Tag später im WDR-Hörfunk verärgert: „Das ist der schlechteste Satz, den ich jemals gehört habe. Warum sagt er so etwas nachher?“
Zur Hektik nach der Rudelbildung trug auch das Publikum bei. Kurzfristig drohte das Spiel gar völlig aus den Fugen zu geraten, als der bei den BVB-Fans in Ungnade gefallene van der Vaart bei einem Eckball vor der Südtribüne von einem Gegenstand am Kopf getroffen wurde. Dieser Zwischenfall konnte die gute Stimmung des Niederländers am Ende der Partie jedoch nicht trüben. Zusammen mit seinen Mitstreitern genoss er die Freudengesänge der HSV-Fans: „Unglaublich. Wir haben das gefeiert wie die Meisterschaft.“
Wie schon beim 3:2 im Hinspiel, mit dem die lange Erfolgsserie des BVB von zuvor 31 Spielen ohne Niederlage zu Ende gegangen war, zwangen die Hamburger den Favoriten in die Knie. Zwei Siege binnen einer Saison gegen die Dortmunder waren in den vergangenen beiden Spielzeiten keinem Team gelungen. Selbst der frühe Rückstand durch den Treffer von Lewandowski (17.) zeigte keine negative Wirkung.
Die beste Saisonleistung verhalf erstmals in dieser Saison zum Sprung auf einen Europapokal-Platz. Das stimmte den in Dortmund geborenen HSV-Trainer Thorsten Fink euphorisch: „Damit konnte keiner rechnen nach der Heimniederlage gegen Frankfurt. Man denkt, wie kommt man hier nur heraus.“ Ähnlich überschwänglich kommentierte Son den durch sein Traumtor zum zwischenzeitlichen 2:1 eingeleiteten Coup: „Es ist ein Traum, hier 4:1 zu gewinnen“, befand der Südkoreaner.