Schlaglichter der Amtszeit von van Gaal in München
München (dpa) - Als Fachmann und Fußball-Lehrer wurde Louis van Gaal nach dem gescheiterten Experiment mit Jürgen Klinsmann gepriesen. Groß war nach dem Double-Gewinn und dem Erreichen des Champions-League-Finals die Hoffnung auf eine lange und erfolgreiche Ära mit dem Niederländer.
Nun ist aber spätestens im Sommer Schluss. Die Nachrichtenagentur dpa hat Schlaglichter aus der bisherigen Amtszeit van Gaals beim FC Bayern München zusammengestellt:
HARTELIJK WELKOM: Am 1. Juli 2009 tritt Louis van Gaal sein Amt beim FC Bayern an und schwärmt in seiner Antrittsrede. „Die Kultur von Bayern München passt zu mir. Das Lebensgefühl passt mir wie ein warmer Mantel. Mia san mir! Wir sind wir! Und ich bin ich!“, sagt der Niederländer. „Selbstbewusst, dominant, ehrlich, arbeitsam, innovativ. Aber auch warm und familiär.“ Und in vielen Dingen eigen.
STARS: Gleich in den ersten Wochen wird einer der Topstars großes Thema. So richtig warm werden Franck Ribéry und van Gaal nicht miteinander, zudem nerven die ständigen Spekulationen über einen Wechsel des Franzosen alle. Mit Luca Toni klappt es gar nicht. Der Coach schüttelt den ruhenden Italiener wegen zu lascher Sitzhaltung beim Essen.
TÖCHTER: Mehr und mehr erfahren die Bayern-Fans über den kauzigen Coach. Er liebt den spanischen Rotwein Rioja, macht gerne Urlaub in Portugal - und lässt sich nicht nur von seinen Spielern siezen, sondern auch von den Töchtern. „Ich finde es gut, wenn ein Abstand da ist“, sagt der damals 58-Jährige. Auch er habe seine Mutter gesiezt, verrät van Gaal: „Das war damals in Holland üblich.“
STURM: Der erste Herbst der Amtszeit von van Gaal verläuft stürmisch. Es läuft nicht rund, nur knapp wird der K.o. in der Champions League vermieden. Schon damals droht ihm eine Entlassung. Erst nach einem 4:1 gegen Juventus Turin startet das Team durch. „Die Preise werden am Ende verteilt“, sagt van Gaal - und wird recht behalten.
SERIENSIEGE: Das System van Gaal kommt richtig in Schwung. Der FC Bayern gewinnt deutschlandweit ungewöhnlich viele Sympathiepunkte. Alle schwärmen vom schönen Spiel der Münchner, die mit der vom Coach erhofften „Dominanz“ die Titel in Meisterschaft und Pokal klar gewinnen. Dazu kämpfen sich die Königsklassen-Überlebenskünstler bis in das Finale der Champions League gegen Inter Mailand durch.
TRÄNEN: Mit 0:2 verliert des Team in Madrid. Gefeierter Mann ist van Gaals früherer Zögling José Mourinho. Van Gaal schmerzt die Niederlage lange. Er betont noch Monate später, dass es immer einfacher sei, mit einer „defensiven Taktik“ zu gewinnen als mit der von ihm bevorzugten „offensiven Taktik“.
FEIERBIEST: Er hatte es angekündigt - und hielt als „Feierbiest“ Wort. Beim Empfang auf dem Münchner Marienplatz schließen die Bayern-Fans den eigenwilligen Trainer in ihr Herz. Er trägt Tracht, zeigt seine strammen Waden, begrüßt „die Muttis“ am Muttertag, ruft den Vereinsnamen voller Inbrunst und schwört die Fans mit einer mitreißenden Rede auf weitere Erfolge ein.
KEINE NEUEN: Neue Spieler will van Gaal vor der Saison 2010/11 keine, auch wenn die Bosse viele Euros hätten springen lassen. Ein paar ausgeliehene Akteure kommen zurück, das war's. Im Laufe der Spielzeit wird klar, dass es an einigen Stellen im Kader hapert, vor allem in der Defensive. Im Winter wird mit Luiz Gustavo nachgebessert.
VERTRAG: Es läuft wieder nicht in der Liga für die Münchner. Die Erfolge in der Champions League, die zum klaren Gruppensieg führen, kaschieren noch Einiges. Und schon im September wird der Vertrag bis 2012 verlängert - als Vertrauensbeweis. „Nach einem Sieg kann jeder Verträge verlängern“, sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Die Bayern hatten zuvor daheim gegen Mainz 1:2 verloren.
BUCH: Bei der Präsentation seines Buchs „Louis van Gaal. Biographie & Vision“ strahlt van Gaal weiter Selbstsicherheit aus. Nur Dortmund sei außer Reichweite. Aber wenn seine Mannschaft erst einmal die Langzeitausfälle wie den von Arjen Robben und die WM-Folgen verkraftet habe, werde es wieder besser. Beim Buch-Auftritt hat er auch einen Rat für seinen Präsidenten Uli Hoeneß parat. „Für Sie ist es auch wichtig, das zu lesen. Viel Spaß!“, sagt er - und überreicht Hoeneß ein Exemplar.
ORKAN: Uli Hoeneß platzt der Kragen. Im TV attackiert er van Gaal über die Maße, unterstellt ihm Beratungsresistenz. „Ich bin sehr erstaunt, dass ein Präsident von einem Verein wie dem FC Bayern München in dieser schwierigen Phase mit neun verletzten Spielern das sagt in diesem Moment“, entgegnet van Gaal entrüstet. Mit Humor nimmt's nur einer. „Ich hab' gelacht“, sagte Franz Beckenbauer zur Debatte, die mit dem „Frieden von Cluj“ beigelegt werden soll.
WECHSELWINTER: Zwei Wechsel - und mit beiden schwächt van Gaal letztlich seine Position. Durch den Abgang von Kapitän Mark van Bommel, dessen Verhältnis mit dem Trainer am Ende arg getrübt ist, verliert die Mannschaft einen Kopf. Und ins Tor stellt van Gaal gegen den Rat der Bosse Thomas Kraft anstelle von Jörg Butt. Starken Spielen folgt ein Patzer des Talents in Hannover.
TITELVERTEIDIGUNGEN: Nach dem 1:3 gegen Dortmund und dem 0:1 gegen Schalke müssen die Bayern die Titelverteidigungen in Meisterschaft und Pokal abhaken. Viel schlimmer noch: Auch die Qualifikation für die Champions League ist akut in Gefahr. Das ist der Alptraum von Hoeneß & Co., denn im kommenden Jahr findet das Königsklassen-Finale in München statt. Van Gaal darf nach dem 1:3 in Hannover bleiben - sein Abschiedsgeschenk im Sommer aber muss mindestens Platz drei in der Bundesliga sein.