Verzweiflungstat: Nürnberg setzt Verbeek vor die Tür
Nürnberg (dpa) - Im verzweifelten Kampf gegen den Rekord-Abstieg hat der 1. FC Nürnberg zum letzten Mittel gegriffen und Trainer Gertjan Verbeek beurlaubt.
Dem eigenwilligen Niederländer wurde der Klassenverbleib nicht mehr zugetraut - ein Jugendcoach und eine Nürnberger Stürmerlegende sollen den taumelnden fränkischen Fußball-Bundesligisten nun retten. Der bisherige U23-Trainer Roger Prinzen und das frühere Tor-„Phantom“ Marek Mintal bereiteten die verunsicherte Elf schon am Mittwoch auf das anstehende Match in Mainz vor. „Wir sind der Überzeugung, dass wir mit dieser Entscheidung noch einmal etwas freisetzen können“, sagte Sportvorstand Martin Bader.
Neben dem neuen Trainergespann soll auch ein Kurztrainingslager noch in dieser Woche für die nötige Konzentration und Anspannung sorgen, wie Bader andeutete. Davon hatte Verbeek nichts gehalten. Besondere Zeiten erfordern aber besondere Maßnahmen, wie Bader betonte: „Wir müssen dahin kommen, dass wir allen Spielern sagen: Gebt euren Frauen Fotos von euch, weil ihr seht sie in den nächsten drei Wochen nicht.“
Das Trainergespann Prinzen/Mintal hatte den neunmaligen deutschen Meister bereits nach der Beurlaubung von Michael Wiesinger und Armin Reutershahn im Oktober 2013 gecoacht. Bader lobte seinen Jugendcoach: „Er ist ein positiver Trainer, der die Aufgabe sehr realistisch, aber auch mit dem nötigen Optimismus angeht.“ Der frühere Bundesligaprofi habe „schon bewiesen, dass er dem Team in einer schweren Situation schnell helfen kann“. Bei Eintracht Frankfurt holte Prinzen damals ein respektables 1:1.
Am Mittwoch leitete er schon ein nicht-öffentliches Training des FCN, am Donnerstag wird er bei der regulären Spieltags-Pressekonferenz vor dem Match in Mainz erstmals Rede und Antwort stehen.
Unter Verbeek trat der FCN mit acht Niederlagen in neun Spielen und zuletzt zwei bitteren 1:4-Pleiten nacheinander nicht mehr erstligareif auf. „Unterm Strich stehen die Ergebnisse und die sind in den letzten Wochen sehr niederschmetternd gewesen“, rechtfertigte sich Bader. „Wir müssen dringend in den Endspielmodus kommen. Da sind auch unpopuläre Maßnahmen manchmal vonnöten.“
Als Tabellenvorletzter mit einem Zähler Rückstand auf den Relegationsrang 16, den derzeit der Hamburger SV innehat, kann der Traditionsverein den direkten Gang in die 2. Liga aus eigener Kraft nicht mehr verhindern. Es wäre der achte Abstieg und ein Rekord.
Der „Club“ ist nicht der erste arg gefährdete Bundesligist, der sich in dieser Saison gleich von zwei Übungsleitern trennte: Auch beim HSV und dem VfB Stuttgart sitzen schon die dritten Chefcoaches innerhalb einer Spielzeit auf der Bank. Insgesamt war Verbeek der achte Trainer, der 2013/14 in der Bundesliga seinen Job verlor.
„Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Gertjan hat jederzeit akribisch gearbeitet“, meinte Bader diplomatisch, „aber der Liga-Verbleib hat für den 1. FC Nürnberg allerhöchste Priorität.“ Bei einem Telefonat am Dienstagabend habe er den Niederländer von dessen Beurlaubung in Kenntnis gesetzt. Verbeek sei „überrascht“ gewesen, habe die Neuigkeit aber „professionell“ aufgenommen, erzählte Bader.
Am Dienstag war Manager Bader erstmals von dem vermeintlichen Heilsbringer abgerückt. Dass das Team ausgerechnet in der Woche vor dem womöglich vorentscheidenden Spiel beim FSV Mainz 05 zwei Tage frei bekommen hatte, kritisierte Bader scharf. In der „Nürnberger Zeitung“ (Mittwoch) sprach er von einem „Signal, das ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen kann“. Neben dem Cheftrainer musste auch dessen Assistent Raymond Libregts gehen.
Nach einer katastrophalen Hinrunde und nur elf Zählern hatte Verbeek die Nürnberger mit einer kurzen Aufholjagd bis auf den zwölften Platz geführt - dann aber rutschte die Truppe wieder auf Rang 17 ab. Verbeek geriet immer heftiger in die Kritik. Neben seiner Sturheit im Bezug auf die offensive Ausrichtung der Mannschaft wurde ihm auch der teilweise sehr schroffe Umgang mit den Spielern zur Last gelegt.
Mit der Beurlaubung hatte der 51-Jährige nicht gerechnet. In einem noch am Mittwoch in der „Sport Bild“ erschienenen Interview sagte der Trainer mit Verweis auf Hannover 96 und den Abstiegsrivalen Hamburger SV: „Da ist Panik ausgebrochen. Bei uns herrscht Ruhe.“ Auf die - inzwischen obsolete - Frage, ob er denn mit Nürnberg auch in die 2. Liga gehen würde, antwortete er: „Es liegt nicht in meiner Hand, was passiert, wenn wir absteigen.“ Immerhin damit hatte Verbeek recht.