VfB-Krise: Letzte Chance für Labbadia und Vorstand

Stuttgart (dpa) - Mit beiden Händen erklärt Bruno Labbadia seinen Profis, wie der nächste Spielzug aussehen soll. Der neue Coach des VfB Stuttgart ruft, dirigiert und unterbricht das Trainingsspiel beinahe im Minutentakt.

Gleich zum Amtsantritt des neuen Hoffnungsträgers wird klar, dass der VfB für seinen Kampf gegen den Abstieg keinen ehrgeizigeren und detailversesseneren Trainer hätte holen können. Nach seinem Scheitern in Hamburg und Leverkusen gab es aber auch kaum einen umstritteneren mehr auf dem Markt. Die „Frankfurter Rundschau“ titelte: „Problemlösungsbär Bruno“.

Mit seiner Verpflichtung hat sich beim Tabellenvorletzten der Fußball-Bundesliga eine bemerkenswerte Schicksalsgemeinschaft gebildet. Labbadia kämpft in Stuttgart auch um seinen Ruf in der Branche. Der Vorstand des VfB steht nach sieben Trainerwechseln in sechseinhalb Jahren massiv in der Kritik. Und die Mannschaft hat nach nur 3 Siegen in 16 Partien den Ruf, aus guten Einzelspielern zu bestehen, im Verbund aber für jeden Coach ein Alptraum zu sein. Geht diese Zusammenarbeit schief und steigt Stuttgart zum ersten Mal seit 1975 wieder ab, dürften Labbadia, Präsident Erwin Staudt und der eine oder andere Profi keine große Zukunft mehr in ihren Jobs haben.

Kapitän Matthieu Delpierre hat Labbadias Kommen begrüßt. „Der Wechsel war die richtige Lösung, um neue Impulse in die Mannschaft zu kriegen. Wir schaffen es nicht von innen heraus, ein richtiges Mannschaftsgefühl zu entwickeln“, sagte der Franzose. Der Trainer gebe eine klare Richtung vor und wisse genau, was er will. „Das ist sehr positiv“, meinte Delpierre. „Bei uns stimmt die Organisation nicht, wir sind ein bisschen kopflos. Die Spieler müssen raus aus der Einstellung, dass hier jeder nur seinen Job macht.“

Um für Disziplin zu sorgen und eine Spielidee zu entwickeln, ist Labbadia geholt worden. „Die Bundesliga macht uns diese Saison vor, dass Mannschaften, die im Kollektiv sehr gut arbeiten, vorne stehen“, sagte er. „Wir haben eine klare Vorstellung, wie wir spielen lassen wollen. Teil des Plans ist, klare Vorgaben zu geben.“ Am Montag bat er seine Spieler erstmal zum gemeinsamen Frühstück und Mittagessen.

Für Labbadia geht es diesmal aber auch darum, nicht nur ehrgeizig, sondern auch lernfähig zu sein. In Hamburg und Leverkusen hielt man ihm vor, die Spieler mit seinen Ansprachen auch zu überfordern und zu nerven. „Ich bin durchaus zur Selbstkritik fähig. Und ich behaupte nicht, dass ich mit sieben Jahren Trainererfahrung alles weiß“, sagte der 44-Jährige dem „Kicker“. Dem VfB ist das wichtig. „Wie offen und ehrlich er mit seiner Vergangenheit umgegangen ist und wie sehr er das reflektiert hat, ist vorbildlich“, sagte Sportdirektor Fredi Bobic. „Ich bin der absoluten Überzeugung, dass es auch fruchtet.“

Für Bobic selbst ist das genauso wichtig. Er und nicht Staudt hat sich in den Krisen-Wochen als treibende Kraft und starker Mann beim VfB präsentiert. Bobic setzte Labbadia gegen Alternativ-Kandidaten wie Hans Meyer und Christoph Daum durch. Und auch Bobic trieb den völligen Umbau des Trainerteams voran, dem neben Jens Keller noch vier weitere Mitarbeiter zum Opfer fielen. „Der sportliche Bereich ist meine Aufgabe“, sagte der 39-Jährige entschlossen.

Obwohl beide aus nahezu einer Spielergeneration stammen, hatten Bobic und Labbadia bislang nicht viel miteinander zu tun. „Es gibt keine große Vorgeschichte“, sagte der Trainer. „Ich habe ihm nur mal in Belgien sein erstes Länderspieltor aufgelegt.“ Auch deshalb meinte er nach seinem ersten Arbeitstag: „Ich habe ein gutes Gefühl.“