Werder-Schleifchen für Otto: Mythos Rehhagel lebt noch

Berlin (dpa) - Der Mythos Otto Rehhagel lebt doch noch. So richtig erklären vermochte den in Berlin lange ersehnten ersten Hertha-Sieg nach 126 Tagen, zwölf vergeblichen Liga-Anläufen und 520 torlosen Minuten niemand.

Egal.

„Wir sind alle unheimlich erleichtert - im Moment“, erklärte Altmeister Rehhagel, der mit seinem gelungenen Heimdebüt als Hertha-Coach ausgerechnet gegen seine einstige Liebe Werder Bremen Hoffnung und Stimmung in die Hauptstadt zurückholte: „Wir sind wieder dabei.“ Hertha hat mit dem 1:0 den Absturz erst einmal gestoppt, auch wenn der Abstiegskampf als Tabellen-15. weiter geht und es auch mit Rehhagel keine Klassenverbleib-Garantie gibt.

Doch Hertha und die Konkurrenz wurden erinnert: Auch so manches „Wunder von der Weser“ wie jene Europacup-Aufholjagd 1988 gegen den damaligen DDR-Serienmeister BFC Dynamo, die deutsche Meisterschaft mit dem Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern 1998 oder den EM-Triumph 2004 von Ottos Griechen hätte es eigentlich gar nicht geben dürfen, wäre es nach den „normalen“ Abläufen im Fußballgeschäft gegangen. Mit Otto gab es das alles. „Insgesamt ist es aufgegangen“, sagte der Coach nach dem 1:0-Sieg von Hertha zu seinen diversen Sofortmaßnahmen, die noch vor kurzem in Berlin ein kleines Erdbeben ausgelöst hätten.

Kapitän Andre Mijatovic auf die Bank verbannt, Fanliebling Patrick Ebert aus dem Kader gestrichen, Shootingstar Pierre-Michel Lasogga nur als Joker gebracht - die Frage nach den Gründen konnte Rehhagel einfach weglächeln: „Das sage ich nicht.“ Vielmehr habe er auch beim vor allem erkämpften Erfolg gegen die spielerisch besseren Bremer „einige Dinge gesehen, die mir nicht gefallen haben“, bemerkte der 73 Jahre alte Trainer. Welche? „Das sage ich auch nicht.“

Otto Rehhagel pflegt seinen Mythos nach nun 822 Spielen auf einer Bundesliga-Trainerbank - genau darauf hat der unter Druck geratene Manager Michael Preetz gesetzt. 50 Geschäftsstellen-Mitarbeiter hatten das Team im letzten Training vor dem Bremen-Spiel in die Mitte genommen und - sicher auch mit aus Angst um die Zukunft - motiviert. „Ihr habt euer Versprechen gebrochen“, war nach den jüngsten Auswärts-Pleiten auf einem großen Fan-Banner als Botschaft zu lesen.

„Die Spieler hatten ein bisschen die Hosen voll, weil sie wussten, wenn wir verlieren, wäre es düster geworden“, beschrieb Rehhagel die ganz besondere Stimmung beim Bremen-Spiel. Und es passierte genau das, was unter den weggeschickten Markus Babbel und Michael Skibbe wohl nie passiert wäre: Vor 52 744 Fans im Olympiastadion erwischte der australische Nationalspieler Nikita Rukavytsya nach 62 Minuten eine lange Eingabe des Ex-Freiburgers Felix Bastians irgendwie noch mit dem Fuß - und der Ball lag tatsächlich im Tor.

Dass Rehhagels Ex-Club Werder Bremen um das Otto-Geschenk dann auch noch ein Schleife band, indem trotz der besseren Spielanlage und einiger bester Chancen nichts Zählbares heraussprang, passt in die Geschichte dieses Spiels. „Dieses Schleifchen hat keiner gewollt“, bemerkte ein Werder-Funktionär nach der zweiten Liga-Niederlage nacheinander. „Das muss uns ärgern, das muss uns wütend machen, damit wir es beim nächsten Mal besser machen“, sagte Bremens Coach Thomas Schaaf, einst ein Musterschüler von Rehhagel. Es klang genau so, als ob es der Meister gesagt hätte.

„Es liegt jetzt an den Protagonisten, das Blatt noch zu wenden“, bemerkte Rehhagel zur neuen Situation bei Hertha, die noch immer angespannt ist. Doch die Protagonisten haben nun gespürt, dass der Mythos Otto funktionieren kann - aber nur mit intensiver Mithilfe aller. „Ich warne jetzt davor, dass wir bequem werden“, vermeldete Verteidiger Christian Lell. „Es ist ein Anfang“, betonte Rehhagel.