Beispiel Aubameyang Wertedebatte überlagert Schlussverkauf auf dem Transfermarkt
Düsseldorf (dpa) - Kurz vor dem Schlussverkauf auf dem Transfermarkt beschäftigt den deutschen Fußball eine Debatte um einen Werteverfall unter den hoch bezahlten Profis.
Branchengrößen wie Jupp Heynckes, Niko Kovac und Matthias Sammer machen sich auch mit Blick auf das Theater um Borussia Dortmunds Top-Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang für eine Charakterprüfung und Moralklauseln in Verträgen stark. „Das ist aktuell überhaupt nicht mehr kontrollierbar. Wir haben eine Situation, die die Vereine überrennt“, sagte der frühere Nationalspieler und Bayern-Sportchef Sammer in einem am Dienstag veröffentlichten Eurosport-Interview.
Auch Trainer-Veteran Heynckes sieht bedenkliche Tendenzen. „Das hat es immer gegeben, aber im Moment ist die Dimension eine ganz andere“, sagte der Münchner Coach mit Blick auf das Verhalten von Spielern wie Ousmane Dembélé, der sich im Sommer 2017 vom BVB zum FC Barcelona streikte, Aubameyang und den Transferwirbel um den abwanderungswilligen Hamburger Walace. „Ich finde, die aufnehmenden Vereine sollten darüber nachdenken, ob sie solche Spieler verpflichten. Ich würde das ablehnen“, sagte Heynckes und erhielt Unterstützung von Trainer-Kollege Kovac. „So etwas kann man nicht gutheißen. Wo endet das denn? In Anarchie!“, vertraute der Frankfurter Coach dem „Kicker“ an.
Doch werden Clubs in Zukunft tatsächlich darauf achten, wie sich ein Superstürmer mit Torgarantie abseits des Platzes verhält, wenn sie ihn unbedingt verpflichten wollen - oder mit welchen Mitteln er den Transfer erzwingt? Der frühere Bundestrainer Berti Vogts sieht dafür zumindest Argumente: „So schäbig, wie das ganze Transfer-Theater abläuft, hätte ich meine Zweifel, ob Aubameyang alles gibt, wenn es hart auf hart kommt“, sagte Vogts dem Nachrichtenportal t-online.de.
Diese Position vertritt auch Sammer. „Dieser sogenannte „faule Apfel“, der bei einem Verein faul war, aber sich bei seinem Verein plötzlich in voller Blüte und Schönheit präsentiert - das ist eine Mär“, ließ der frühere DFB-Sportdirektor wissen.
Im Tagesgeschäft auf dem Transfermarkt allerdings hat die mit Wucht geführte Ethikdiskussion, die bisweilen auch etwas heuchlerisch wirkt, eher keine Auswirkungen. Der neue Kölner Sport-Geschäftsführer Armin Veh hat in diesen Tagen ganz andere Dinge zu berücksichtigen: Der 56-Jährige musste seinen Neuen wie dem Stuttgarter Simon Terodde oder dem Franzosen Vincent Koziello klar machen, dass sie in der kommenden Saison möglicherweise in Liga zwei agieren.
„Wenn einer sagen würde, nur erste Liga - dann würde ich ihn nicht holen“, betonte Veh. Terodde und Koziello, der vom Lucien-Favre-Club OGC Nizza zu den Rheinländern kam, ließen sich darauf ein. Geschätzte 5,5 Millionen Euro investierte der FC in die beiden Profis - und der zweimalige Zweitliga-Torschützenkönig Terodde zahlte schnell zurück: Gegen Mönchengladbach erzielte er das Last-Minute-Siegtor zum 2:1, beim 2:0 am Samstag in Hamburg traf der 29-Jährige doppelt. FC-Coach Stefan Ruthenbeck sagte über Terodde bereits nach dem Derby-Erfolg gegen Gladbach: „Das wird ein Volltreffer.“
5,5 Millionen Euro für Terodde und Koziello sind geradezu bescheiden im Vergleich mit den Summen, die etwa Bayern München oder der BVB bislang locker machten: Für Manuel Akanji vom FC Basel zahlte die Borussia rund 20 Millionen Euro, für Nationalspieler Sandro Wagner überwiesen die Bayern rund 13 Millionen Euro an 1899 Hoffenheim. Rückkehrer Mario Gomez war Aufsteiger VfB Stuttgart rund drei Millionen Euro wert, die an den VfL Wolfsburg flossen.
Noch haben die Vereine Zeit, ihre Kader zu ergänzen oder zu optimieren: Das Winter-Transferfenster schließt am 31. Januar um 18.00 Uhr. Vor einem Jahr bilanzierte die Bundesliga einen Rekord: Die Clubs investierten seinerzeit über 90 Millionen Euro. In diesem Winter sind es bisher rund 50 Millionen Euro. An Transfereinnahmen wurden bis zu diesem Zeitpunkt etwas mehr als 22 Millionen Euro erzielt. Rund 91 Millionen Euro waren es im gesamten Transferzeitraum des vergangenen Winters.