Wie Magaths Puzzle zerfällt
Nach dem 0:3 in Schalke wird offenbar: Wolfsburgs Chef hat wieder keine Mannschaft erfunden.
Gelsenkirchen. Felix Magath rührte in seinem Tee. Wie er das immer macht. Es ist sein Ritual, und es zeigt denjenigen, die ihm gegenüber sitzen, dass sie ohnehin fragen können, was sie wollen. Der Tee bleibt wichtiger. Der 59-Jährige hat es nicht leicht in diesen Tagen. Der Nimbus des Erfolgstrainers bröckelt sogar in Niedersachsen. Dort, wo er 2009 den Meistertitel mit dem Konzernklub gewann.
Spätestens jetzt, nach diesem desillusionierenden 0:3 seines VfL Wolfsburg beim FC Schalke 04, treten die Zweifel an Magaths nächstem radikalem Umbau offen zu Tage. Bisher hatte er immer noch argumentieren können, dass sich seine Mannschaft erst finden müsse. Doch nach diesem Spiel, bei dem Jefferson Farfan, Ibrahim Afellay und Roman Neustädter für die Schalker zum hochverdienten 3:0-Sieg trafen, dürften auch die letzten Optimisten ihrer Hoffnung beraubt sein.
„Es ist sicher ein Problem, dass so genannte Leistungsträger wie Naldo oder Ivica Olic im Moment nicht in der Lage sind, die Mannschaft zu führen“, erklärte Magath zu seiner Verteidigung und wälzte die Verantwortung allein auf einzelne Spieler ab. Auch er selbst hinterfrage sich zwar regelmäßig, sagte er. Ob sich dabei allerdings Ansatzpunkte zur Kritik finden lassen, ließ er unbeantwortet. „Was uns das gesamte Spiel gekostet hat, ist das 0:2“, sagte er. Es klang mehr nach einer Ausrede. Seine Mannschaft hatte noch 44 Minuten Zeit, das Spiel zu drehen, bei einem Gegner, der zuletzt zweimal in Folge eine Führung verspielt hat.
Das Spiel von Magaths Mannschaft bietet eine Fülle von Argumenten, dass die Methoden des Schülers der eher freudlosen, aber erfolgreichen einstigen HSV-Trainer Ernst Happel und Branko Zebec kaum noch greifen. Die Wolfsburger Mannschaft präsentierte sich wie ein Minuten vor dem Spiel zusammengewürfelter Haufen. Auf einstudierte Laufwege, geordnete Raumaufteilung und Teamgeist gab es keinerlei Hinweise. „Wir waren schon mal schlecht. Aber im Moment ist es schlimmer“, sagte VfL-Mittelfeldspieler Josué. Jeder einzelne Wolfsburger Profi versuchte, sich irgendwie über Wasser zu halten, und alle gingen gemeinsam unter.
21 Spieler hat Magath aus seinem mit über 30 Spielern zusammengesetzten Kader bisher eingesetzt — ohne die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb. In sieben Bundesligapartien hat er stets eine neue Anfangself gewählt. Spieler, die sich eben noch auf der Tribüne wiederfanden, stehen wie Srdjan Lakic in Gelsenkirchen plötzlich wieder in der Startelf. Oder umgekehrt — wie der Däne Simon Kjaer jetzt feststellen musste.
„Trial and error“, die schier ungebremste Suche führt bei den Profis offenbar zur völligen Konfusion. Seit 318 Minuten warten sie auf einen Treffer, haben nur zwei Tore in sieben Bundesligapartien erzielt — die schlechteste Offensivbilanz in der Bundesligageschichte. Die Investitionen von deutlich über 60 Millionen Euro in Magaths mehr als einjähriger Tätigkeit zeigen bisher keinerlei Wirkung.
Das System Magath, das vor allem außergewöhnlich hartes Training, geringe interne Kommunikation und den alleinigen Machtanspruch des Trainers beinhaltet, erzeugt hohen Druck auf die Umwelt. Um diese Vorgehensweise dauerhaft durchhalten zu können, benötigt Magath schlicht Erfolg.
Bei seiner vorherigen Station auf Schalke war das Vertragsverhältnis mit Magath auch deshalb aufgelöst worden, weil nach anfänglichen Erfolgen nicht nur die sportliche Leistung nachließ, sondern auch interne Dissonanzen mit seinen Spielern, der Vereinsführung und auch den zahlreichen Anhängern des Klubs eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich machten.
In Gelsenkirchen sind sie noch immer nicht gut auf Magath zu sprechen. Die Schalker Fans leben das aus. „Nie mehr Felix Magath“, schallte es durch die Arena. Und auch Angreifer Jefferson Farfan macht keinen Hehl daraus, dass er stets besonders motiviert ist, wenn es gegen Magath geht. „Für manchen Spieler war es etwas Besonderes, gegen den ehemaligen Trainer zu spielen. Gerade gegen Felix Magath“, sagte Roman Neustädter. Dabei hatte der 24-Jährige den Trainer in Schalke gar nicht mehr erlebt.