Wolfsburgs Zittern: Magath leer und erleichtert
Sinsheim (dpa) - Am Ende genoss Felix Magath die Fahrt im Sonderzug von Sinsheim in die Autostadt, doch beinahe hätten Trainer und Mannschaft die Karre an die Wand gefahren.
20 Minuten lang war der VfL Wolfsburg am letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga schon abgestiegen, da wandelten Mario Mandzukic (60./73. Minute) und Grafite (78.) mit ihren Toren einen 0:1-Rückstand bei 1899 Hoffenheim noch in einen 3:1-Sieg. Selbst der abgebrühte Magath war am Ende nur noch „leer und erleichtert“ und verschwand nach den ersten Umarmungen erstmal in der Kabine. „So eine turbulente Saison habe ich noch nie erlebt“, sagte der 57-Jährige. „Warum hätte das Finale anders laufen sollen?“
Eineinhalb Stunden nach dem Abpfiff stiegen Magath und seine Spieler in Sinsheim wie versprochen in die beiden Sonderzüge und machten sich mit den 500 Fans auf in die Heimat. So konnte der VfL-„Retter“ stundenlang Autogramme kritzeln, die verkorkste Runde diskutieren und sich mit den Anhängern fotografieren lassen. Erst um 00.30 Uhr fand die Partyfahrt am frühen Sonntagmorgen in Wolfsburg ihr Ende. Über tausend weitere Anhänger und Oberbürgermeister Rolf Schnellecke (CDU) empfingen ihre Helden am Bahnsteig.
Kapitän Marcel Schäfer und Co. hatten sich zuvor schon in der Rhein-Neckar-Arena minutenlang von ihren euphorischen Fans feiern lassen. „Meine Nerven sind am Ende. Wir waren ja zwischendurch abgestiegen. Viel mehr Hardcore geht nicht“, meinte Nationalspieler Arne Friedrich fassungslos.
Als die Führungstore der Mitkonkurrenten Eintracht Frankfurt und Borussia Mönchengladbach bekanntwurden und Roberto Firmino vor 30 150 Zuschauern für das Hoffenheimer 1:0 sorgte, schien der Meister von 2009 am Ende. Gylfi Sigurdsson vergab sogar die Riesenchance zum 2:0. „Erst als wir bei den Spielständen abgestiegen waren, haben wir gezeigt, was wir können. Es war letztendlich auch heute wieder ein Abbild der Saison“, räumte Magath später ein.
Der VfL-Coach hatte sich gegen die in der Rückrunde harmlosen Hoffenheimer auf eine Defensivtaktik verlegt und sogar den lange verschmähten Dänen und dann schwachen Thomas Kahlenberg anstelle von Diego gebracht. Als der Brasilianer dies bei der Mannschaftssitzung am Morgen sah, stand er wortlos auf und verschwand. „Er hat den Raum verlassen, nachdem er festgestellt hatte, dass er nicht in der Anfangsformation stand“, bestätigte Magath. „Dass jemand die Sitzung verlassen hat, habe ich noch nicht erlebt.“
Auch nach dem Spiel wusste beim Tabellen-15. niemand, wo der Regisseur steckte. Erst am Sonntag tauchte die Mittelfelddiva wieder auf dem Trainingsgelände auf, blieb eine Erklärung aber schuldig. „Er hat einen Vertrag und anscheinend gemerkt, dass man Pflichten erfüllen muss“, sagte Magath, der eine Abmahnung des Vereins und eine Geldstrafe in unbekannter Höhe ankündigte.
Der Coach wollte eigentlich in der neuen Saison „eine Mannschaft um Diego aufbauen“. Doch dass der Star sein Team im entscheidenden Spiel des Abstiegskampfes im Stich ließ, könnte noch weitere Konsequenzen nach sich ziehen. „Es ist mein Problem, unser Problem. Wir müssen uns zusammensetzen und eine Lösung finden“, sagte Diego.
Aber Magath sah zumindest unmittelbar nach der Rettung „keine Not“, sich ausgiebig mit seinem divenhaften Star zu beschäftigen. „Ich bin erstmal froh und glücklich, dass wir die Saison in der ersten Liga überstanden haben.“ Nach dem Hamburger SV (1995/96), Eintracht Frankfurt (1999/2000) und den VfB Stuttgart (2000/2001) bewahrte Magath auch die Wolfsburger vor dem Absturz. „Das war schon eine riesen-nervliche Belastung“, sagte Kapitän Schäfer, der sich beim lange nicht mehr gezeigten „Dive“ mit nacktem Oberkörper auf dem Rasen eine Schramme zuzog. „Da kann der Bauch heute auch mal aufgeschlitzt sein“, meinte er grinsend.