Ewiger Pokalschreck: Offenbach träumt vom nächsten Coup
Offenbach (dpa) - André Hahn hat seine Kollegen schon einmal gewarnt. Auf dem Bieberer Berg sei es „immer sehr unangenehm“ für den Gegner. Die Atmosphäre ist „hitzig“, die Kickers würden „kämpfen ohne Ende“, sagte der Offensivspieler von Borussia Mönchengladbach vor seiner Rückkehr nach Offenbach.
Am Mittwochabend spielt Hahn mit seinem neuen Verein bei seinem alten - im Achtelfinale des DFB-Pokals empfängt der ewige Favoritenschreck Kickers Offenbach den Cup-Sieger der Jahre 1960, 1973 und 1995.
Viertligist gegen Champions-League-Anwärter - dieses Duell hätte auch schon ohne Hahns Geschichte einen besonderen Reiz. Aber der 24-Jährige ist natürlich die zentrale Figur an diesem Abend, weil sein rasanter Aufstieg vom Regionalliga- zum Nationalspieler in seiner Offenbacher Zeit von Juli 2011 bis Januar 2013 zum ersten Mal so richtig Fahrt aufnahm.
„Ich weiß, wo ich herkomme“, sagte Hahn der „Frankfurter Rundschau“. „Und ich habe Kickers Offenbach viel zu verdanken, denn von dort aus habe ich den Sprung in die Bundesliga geschafft.“ Seine Freundin lernte er in Offenbach kennen. Zu einigen OFC-Spielern wie Torwart Daniel Endres hat er immer noch Kontakt. Deshalb habe er vor lauter Freude auch den ganzen Gladbacher Mannschaftsbus zusammengeschrien, als er von diesem Pokal-Los erfuhr, erzählte der Flügelspieler der „Offenbach Post“.
An der bemerkenswerten Pokal-Geschichte der Kickers hat der gebürtige Niedersachse selbst ein wenig mitgeschrieben. Sieben Erst- und Zweitligisten scheiterten allein in den vergangenen viereinhalb Jahren am Bieberer Berg. Nach dem späteren deutschen Meister Borussia Dortmund im Herbst 2010 erwischte es in dieser Saison den FC Ingolstadt und den Karlsruher SC. „Als ich da war, haben wir gegen Greuther Fürth, Union Berlin und Fortuna Düsseldorf gewonnen, ehe wir gegen Wolfsburg leider rausgeflogen sind“, erinnert sich Hahn.
Rico Schmitt wurde vor zwei Jahren kurz vor jenem Wolfsburg-Spiel neuer OFC-Trainer, auch er sagte am Dienstag: „Vielleicht können wir ja wieder Pokal-Geschichte schreiben. Da ist dieses Wir-Gefühl und eine Urkraft, die in dieser Mannschaft steckt. Davor hat sicher morgen auch Mönchengladbach Respekt.“
Vielleicht braucht man aber auch gerade einen Mönchengladbacher nicht mehr vor dieser besonderen Atmosphäre auf dem Bieberer Berg zu warnen. Denn so bewegt die Offenbacher Geschichte als ehemaliger Bundesligist, DFB-Pokalsieger von 1970 und mittlerweile nach der Insolvenz 2013 zum zweiten Mal in die Viertklassigkeit abgestürzter Traditionsclub auch ist: Ihre legendärsten Spiele haben die Kickers immer wieder gegen die Borussia hingelegt.
1974 schoss Erwin Kostedde das „Tor des Jahres“ in diesem Duell. Offenbach gewann mit 4:3, der Stürmer wurde zwei Monate später der erste dunkelhäutige Nationalspieler der deutschen Fußball-Geschichte und die Borussia am Ende der Saison deutscher Meister. 1983 siegten die Kickers nach drei Toren von Uwe Bein erneut mit 4:3, aber es half nichts: Es war einer der wenigen Höhepunkte ihrer bis heute letzten Bundesliga-Saison. Einen Tag nach dem Mauerfall 1989 waren sie nur noch Drittligist, als sie schon einmal in einem wichtigen Pokalspiel auf Mönchengladbach trafen. Der OFC siegte damals im Viertelfinale mit 1:0 nach Verlängerung, kurz darauf entließ die Borussia zum ersten Mal in ihrer Bundesliga-Historie einen Trainer (Wolf Werner).
„Wir werden auch diesmal alles raushauen für eine Überraschung“, sagte OFC-Kapitän Endres. Die Devise von Stürmer Markus Müller lautet: „Wir sind nicht ehrfürchtig, aber demütig.“ Beide haben allerdings nur wenig Hoffnung, dass die Gladbacher ihre Mannschaft vielleicht nicht ganz so ernst nehmen könnten. „André Hahn wird schon dafür sorgen, dass das nicht passiert“, meinte Endres.