Nach Özil nun Meuselwitz: Hertha noch Wundertüte

Berlin (dpa) - Der Wechsel in den Alltag könnte kaum extremer sein. Die Stars von Real Madrid, die Hertha BSC kurz vor dem Saisonstart vor 74 244 Fans in Berlin noch eine Lehrvorführung gegeben hatten, sind längst wieder zu Hause.

Am Sonntag wartet nun der Viertligist Zipsendorfer FC Meuselwitz auf den Aufsteiger in die Fußball-Bundesliga. In dem 11 000-Einwohner-Städtchen in Thüringen herrscht schon Pokal-Ausnahmezustand. „Da weiß jeder, worum es geht. Da müssen wir gewinnen“, betonte der ehemalige Münchner Andreas Ottl, einer der vier Neuen bei Hertha.

Für Hertha-Chefcoach Markus Babbel hat die von den Fans gefeierte 1:3-Niederlage im Test gegen Ronaldo, Özil, Khedira und Co. „viele Erkenntnisse“ gebracht, die er nun schon kurzfristig in Veränderungen umsetzen muss. Vor allem die vielen „einfachen Fehler, die Gott sei Dank jetzt passiert sind“, ärgerten den Europameister von 1996, obwohl Hertha durch Patrick Ebert sogar in Führung gehen konnte. Superstar Cristiano Ronaldo und zweimal der französische Stürmer Karim Benzema bestraften Herthas Defensiv-Zögern eiskalt.

„Solche einfachen Fehler müssen wir vermeiden. Selbst Meuselwitz lässt sich solche Chancen nicht nehmen“, warnte Babbel, der in der Hauptstadt nach dem Aufstieg sicher vor seiner bisher größten Herausforderung als Jungtrainer steht. Ein Stück ist sein Team auch für Babbel noch eine Wundertüte. „Alle unsere Kontrahenten bis auf Augsburg und uns haben ihre Bundesliga-Tauglichkeit schon nachgewiesen“, sagte der Berliner Chefcoach.

Ein wenig Beruhigung kam ausgerechnet von José Mourinho, dem extravaganten Real-Trainer, der jetzt auch Generaldirektor der „Königlichen“ ist. Er habe zwar nicht so sehr auf die Berliner Profis geachtet, berichtete der Portugiese. Aber es sei „ein guter Test“ gewesen: „Hertha ist schon sehr weit, das hat man gesehen.“ Und Sami Khedira, der vor vier Jahren noch zusammen mit dem Fußballer Babbel beim VfB Stuttgart gekickt hatte und dann vom Übungsleiter Babbel trainiert wurde, bescheinigte Hertha durchaus Erstliga-Tauglichkeit.

„Ich bin überzeugt, dass wir gut vorbereitet sind. Man weiß aber auch nicht genau, wie die Mannschaft im Ernstfall reagiert“, wies Ottl, der für Bayern und Nürnberg schon 109 Bundesligaspiele bestritten hat, auf die Ungewissheiten als Neuling hin. „Da geht es knallhart zu. Wir müssen uns alles erarbeiten“, sagte Babbel. Dazu kommt der psychische Druck, wie die teilweise „Schockstarre“ (Babbel) gegen Real zeigte. „Ein Gegner wie Madrid, ein volles Stadion - das ist vom Kopf her eine andere Belastung“, bemerkte der Trainer.

Zunächst einmal aber muss der Aufsteiger im Pokal die Belastung als Favorit aushalten - in der mit einer Zusatztribüne ausgestatteten Kleinstadt-Arena von Meuselwitz. „Da sind wir in der Rolle, in der Real gegen uns war“, bemerkte Stürmer Pierre-Michel Lasogga.