Kritik an Özils Rundumschlag Druck auf DFB und Grindel wächst

Frankfurt/Main (dpa) - Der Druck auf den Deutschen Fußball-Bund und Präsident Reinhard Grindel in der Affäre um Mesut Özil wächst.

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„Ich glaube, das Krisenmanagement des DFB war in dem konkreten Fall suboptimal“, sagte Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, im Bayerischen Rundfunk. „Das hätte man an vielerlei Stellschrauben anders und auch besser machen können.“

DFB-Chef Grindel steht nach seinem wenig überzeugenden Kurs im Fall Özil besonders stark in der Kritik. Laut einer Umfrage des Nachrichtenportals t-online.de spricht sich fast jeder zweite der Deutschen für seinen Rücktritt aus. Auf die Frage, ob er zurücktreten solle, antworteten 49,7 Prozent der 5569 Befragten mit „Ja, auf jeden Fall“ oder „Eher ja“. Nur 36,6 Prozent sind dagegen und sagten „Eher nein“ oder „Nein, auf keinen Fall“. Nur 13,7 Prozent der Befragten gaben an, in dieser Frage unentschieden zu sein.

Seit dem spektakulären Rückzug Özils hat Grindel sich bisher nicht selbst zu Wort gemeldet. Der CDU-Politiker war von dem Mittelfeldspieler persönlich hart angegriffen und als inkompetent und unfähig bezeichnet worden, „seinen Job zu machen“.

Für die sportpolitische Sprecherin der FDP, Britta Dassler, lege der Rücktritt Özils offen, „dass der DFB den Herausforderungen einer modernen Einwanderungsgesellschaft nicht gewachsen“ sei. Daher sei nun der richtige Zeitpunkt für eine Debatte, „wie der größte Fußballverband der Welt mit solchen Fragen in Zukunft umgehen“ wolle. Dassler betont: „Auch personelle Konsequenzen dürfen beim DFB nicht ausgeschlossen sein.“

Özil war als Folge der Affäre um seine Fotos mit dem umstrittenen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aus der Nationalmannschaft zurückgetreten. In einer Erklärung hatte er in harscher Form den DFB und Grindel attackiert sowie Rassismus-Vorwürfe erhoben.

Sowohl Dassler als auch Freitag kritisierten aber auch den massiven Rundumschlag und die mangelnde Selbstkritik von Özil an dem problematischen Fototermin mit Erdogan. „Bei aller Kritik am Kurs des DFB und seines Präsidenten schießt der blanke Rassismusvorwurf aus meiner Sicht über das Ziel hinaus“, meinte die SPD-Politikerin Freitag. „Mesut Özil fehlt offenkundig die Einsicht, dass es keine unpolitischen Treffen mit einem Despoten wie Erdogan geben kann. Das ist bedauerlich“, meinte Parlaments-Kollegin Dassler.

Der Präsident des Berliner Verbandes, Bernd Schultz, stützt den angeschlagenen DFB-Präsidenten. „Reinhard Grindel hat nach wie vor mein volles Vertrauen“, sagte Schultz der Deutschen Presse-Agentur. Er habe von ihm „keine rassistischen Äußerungen feststellen können“. Auch der Hamburger Verbandspräsident Dirk Fischer und Hans-Ludwig Meyer, Präsident des Schleswig-Holsteinischen Fußballverbandes (SHFV), wiesen die Rassismus-Vorwürfe entschieden zurück.

Özil, der sich derzeit mit seinem englischen Club FC Arsenal in Asien auf die neue Saison vorbereitet, erhält Unterstützung aus der Türkei. „Egal ob er in der Öffentlichkeit steht oder nicht, jeder Spieler muss vor Erniedrigung, Diskriminierung und vor hasserfüllten Botschaften geschützt werden“, sagte Yildirim Demirören, Präsident der türkischen Fußballföderation. Özil dokumentierte sein Training am Dienstag mit einem Foto bei Twitter - sein erster Tweet nach der Rücktrittserklärung.

Zu mehr Ruhe in der hitzigen Debatte mahnt der frühere DFB-Sportdirektor Matthias Sammer. „Vom Ursprung des Fotos bis zur Kommentierung hat er Dinge aushalten müssen. Alle, die ihm zu wenig Selbstkritik vorwerfen, sollten sich einfach mal in die Lage versetzen“, sagte er im Interview mit dem TV-Sender Eurosport. „Mesut ist ein unangenehmes Thema, mit vielen Fehlern behaftet, aber er ist nicht das Problem des deutschen Fußballs.“

Wie alle deutschen Nationalspieler, die sich bisher in dieser Causa zu Wort gemeldet haben, dankt Julian Draxler seinen langjährigen Teamkollegen, enthält sich aber eines Kommentars zur ganzen Affäre. „Mesut Abi, deine Technik am Ball hat Spielern wie mir die Tür zum DFB-Team geöffnet“, schrieb der Profi von Paris Saint-Germain auf Instagram („Abi“ ist ein türkisches Wort für „Bruder“). „Danke, für das, was du für den deutschen Fußball getan hast. Du kannst Stolz auf deine Leistungen sein.“

Der frühere Weltfußballer Lothar Matthäus wertet den Rücktritt von Özil als sportliche Chance. Nach Einschätzung des 57-Jährigen habe Özil im DFB-Team zuletzt ohnehin nicht mehr seine volle Leistung gebracht. Die Zeit des Mittelfeldspielers sei nun vorbei, dies sei „eine Chance für junge Talente“, meinte Matthäus vor Journalisten in Philadelphia.