Elfmeter-Debatte Warum der Video-Assistent in Bremen nicht mehr eingreifen konnte
Bremen · Mit einem zu schnellen Elfmeterpfiff bringt der Schiedsrichter beim Pokal-Halbfinale den FC Bayern ins Endspiel, Werder auf die Palme und den Video-Assistenten um seine Hilfe.
Als Fortuna Düsseldorf erst vor knapp zwei Wochen ein Handelfmeter gegen den FC Bayern München zuerkannt worden war, da hatte sich Münchens Angreifer Thomas Müller echauffiert. "Das war eine Fehlentscheidung. So einen Strafstoß würde ich für uns nicht haben wollen. Wenn wir den bekommen, schieße ich ihn absichtlich daneben", erklärte Müller. Was der 29-Jährige jedoch am 19. April 2016 mitnichten tat, als Arturo Vidal eine üble Schwalbe produziert hatte. Und was nun am Mittwoch Abend auch Robert Lewandowski nicht tat, als Kingsley Coman nach einer leichten Touchierung wie ein gefällter Baum zu Boden sank.
In beiden Fällen war Pokal-Halbfinale, in beiden Fällen hieß der Leidtragende Werder Bremen. Von einem Bayern-Bonus wollte Bremens Trainer Florian Kohfeldt natürlich nicht sprechen. Seine Aussage "bei neun von zehn Fällen wird in dieser Szene nicht auf Elfmeter entschieden", ließ die Verschwörungs-These allerdings durchaus im Raum stehen. Dennoch zeigte Kohfeldt nach dem für Werder so bitter beendeten Final-Traum einmal mehr seine menschliche Größe. "Natürlich war der Pfiff brutal. Aber Bayern hat auch nicht ganz unverdient gewonnen."
Trainer Kohfeldt bewahrt die Contenance - Werders Spieler sind emotional aufgeladen
Zuvor hatte Kohfeldt bereits auf dem Rasen deeskalierend gewirkt, als seine aufgebrachten Spieler unmittelbar nach dem Abpfiff auf Schiedsrichter Daniel Siebert zugestürmt waren. Werders Trainer zog seine Profis beiseite. "Danach habe ich Herrn Siebert gesagt, er möge jetzt besser schnell in die Kabine gehen", erklärte Kohfeldt die Lage bei der Rudelbildung. Anders als sein Trainer konnte Kapitän Max Kruse seine Wut nicht bändigen. "Ach Gott, ey. Da brauche ich nichts mehr zu sagen. Wozu gibt es denn nun den Video-Beweis? Wenn das nicht erkannt wird, können wir ihn wieder abschaffen", meinte Kruse.
Doch der Video-Beweis konnte beim Aufreger des Abends nicht helfen. Was war passiert? Nach dem die Münchener durch Treffer von Lewandowski (36.) und Müller (63.) schon wie die sicheren Sieger aussahen, holten Yuya Osako (74.) sowie Milot Rashica (75.) Werder zurück und ließen das Weserstadion erbeben. Fünf Minuten später aber folgte das Drama. Münchens Coman hätte den Ball im Strafraum nicht mehr erreicht, Bremens Theodor Gebre Selassie aber hatte ihn leicht angerempelt. Weder hart und ob der von Siebert zuvor bei Zweikämpfen an den Tag gelegten Linie wohl noch nicht mal regelwidrig - doch nun pfiff Siebert.
Schiedsrichter Siebert beraubt sich aller Optionen und erklärt seine Entscheidung danach auch noch falsch
Eine fatale Eile des seit zehn Jahren in der Bundesliga pfeifenden Berliners. Denn weil er sofort pfiff und es eine Berührung gab, konnte der Video-Assistent in Köln nicht mehr eingreifen. Eine klare Fehlentscheidung lag durch den zarten Kontakt nicht vor.
Mit dem schnellen Pfiff aber beraubte sich Siebert selbst der Option, die Szene bei der nächsten Unterbrechung in Ruhe und in der für die Tragweite seiner Entscheidung angemessenen Zeit am Video-Gerät noch einmal genau anschauen zu können.
Der "schwarze Peter" für den fatalen Pfiff liegt somit ausschließlich beim 34-Jährigen, der "Kölner Keller" war machtlos.
Was Siebert allerdings so richtig in die Bredouille bringt und seine Entscheidung bei den Bremern noch übler aufstießen ließ, sind seine Ausführungen nach der Partie. Dort erklärte er Werders Profis, dass er nicht die zweifelsfrei vorgelegene Berührung an der Hüfte, sondern einen Kontakt am Fuß zwischen Gebre Selassie und Coman geahndet hatte. Diesen wiederum allerdings gab es definitiv nicht, wie die TV-Bilder eindeutig belegen. "Unten ist der Kontakt vielleicht mit dem Rasen", knurrte Mittelfeldspieler Maximilian Eggestein verzweifelt und fügte mit Tränen in den Augen hinzu: "Das ist einfach unfair und sehr bitter für uns."
Ein rassiges Pokal-Duell, das gerade so richtig Fahrt aufgenommen hatte, wurde jäh eingebremst. Warum Daniel Siebert dies derart übereifrig tat, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Dass Lewandowski den Elfmeter freiwillig daneben schießen würde, durfte auch nicht gehofft werden. Dafür geht es im Fußball-Geschäft inzwischen um viel zu viel. Müllers Aussage nach der Partie in Düsseldorf war daher auch nicht mehr als eine leere Wort-Hülse. Er hatte sie schon 2016 nicht mit Leben gefüllt, durch Lewandowskis 3:2 in Bremen ist sie endgültig der nackten Wahrheit gewichen.