Bärte sind ab - Tschechen trotzdem stolz auf „tolle EM“
Warschau (dpa) - Petr Cech war der Erste. Noch in der Kabine rasierte sich der Weltklasse-Torhüter den Bart ab, den er wie alle tschechischen Spieler aus Aberglaube während der EM getragen hatte. Aber nach der Cristiano-Ronaldo-Show im Warschauer Nationalstadion hatten die Stoppeln ausgedient.
Auch der Champions-League-Sieger vom FC Chelsea konnte nicht verhindern, dass die tschechische Traumreise durch die Fußball-Europameisterschaft am Donnerstagabend zu Ende ging. „Es ist eine Enttäuschung, dass wir nach Hause fahren müssen“, sagte Cech, der glatt rasiert und mit seiner Brille aussah wie ein Harvard-Professor.
Der 30-Jährige war aber realistisch genug, trotz des verpassten Halbfinaleinzuges ein positives Turnierfazit zu ziehen. „Mit zeitlichem Abstand werden wir alle sehen, dass diese EM für uns ein großer Erfolg war“, sagte Cech. Das sah der verletzt fehlende Spielmacher Tomas Rosicky genauso. „Wir können mit erhobenem Haupt nach Hause fahren. Es war eine tolle EM für uns“, sagte der frühere Dortmunder.
Dass Rosicky im Viertelfinale erneut wegen Achillessehnenproblemen passen musste, konnten die Tschechen gegen die in allen Belangen überlegenen Portugiesen nicht kompensieren. Der Stratege vom FC Arsenal war völlig geknickt, dass er seinem Team nicht hatte helfen können und schloss im ersten Frust selbst einen Rücktritt nicht aus. „Ich bin nicht mehr der Jüngste und hatte einige Verletzungen. Ich werde es mir in Ruhe überlegen“, sagte der 31-Jährige.
Einen Schritt weiter ist bereits Milan Baros. Der in die Jahre gekommene Stürmer, in Polen nur ein Schatten seiner selbst, beendete nach der Partie seine Karriere in der tschechischen Auswahl. Anfangs ausgepfiffen, wurde auch der Torschützenkönig der EM nach dem Aus von den tschechischen Fans mit warmem Applaus verabschiedet. In der Heimat hatte der Mannschaft von Trainer Michal Bilek kaum einer den Sprung in die K.o.-Runde zugetraut. „Jungs, wir danken euch!“, titelte die Tageszeitung „MF Dnes“. „Es ist das Ende. Aber danke für die Tapferkeit!“, schrieb die Zeitung „Blesk“.
Nach dem enttäuschenden Turnierauftakt beim 1:4 gegen Russland entpuppten sich die Tschechen in der Tat als eine der positiven Überraschungen. „Wenn mir vor zwei Jahren jemand erzählt hätte, wir schaffen das Viertelfinale bei der EM, hätte ich es ihm nicht geglaubt. Ich bin stolz auf mein Team“, sagte Bilek. Zu Beginn der EM-Qualifikation hatten die Tschechen gegen Litauen verloren, Bilek stand kurz vor dem Aus.
Doch wie sein Team bewies auch der Coach Widerstandsfähigkeit, mit Blick auf die im Herbst beginnende WM-Qualifikation herrscht in Tschechien nun wieder Zuversicht. „Wir haben mit Italien und Dänemark zwar eine schwere Gruppe. Aber wir gehen optimistisch da rein“, sagte Michal Kadlec.
Der Leverkusener, neben dem Neu-Bremer Theodor Gebre Selassie einer der Gewinner im tschechischen Team, freute sich jetzt erst einmal auf den Urlaub. Zunächst stand aber auch bei ihm noch eine Rasur an. So unmittelbar nach dem Spiel hatte sich der Verteidiger noch nicht von seinem Bart trennen wollen. Zu schön war die Erinnerung an ein „tolles Turnier“, sagte er - und verabschiedete sich in den grauen Keller-Katakomben in Richtung Mannschaftsbus.