EM-Tagebuch Bonjour: Statt Champagner gibt’s noch ein Evian
Marseille. Unsere Tour de France ist also vorzeitig zu Ende gegangen. In der ehemaligen Radrennbahn von Marseille. Wir haben es nicht nach Paris geschafft. Statt Champagner in der pulsierenden Hauptstadt gibt’s zum Abschluss noch ein angeblich so gesundes Wässerchen im gemütlich verschlafenen Evian-les-Bains.
Bis dahin sind es von der Hafenmetropole am Mittelmeer noch einmal 500 lange Kilometer durch die Nacht. Ein Katzensprung, verglichen mit den beiden Weltreisen nach Lille. Aber der zieht sich. Immerhin: Raus aus Frankreichs zweitgrößter Stadt geht schneller als rein.
Lang und umständlich sind dagegen die Wege im Stadion. Dabei ist das Vélodrome, die Heimat des Kultclubs Olympique Marseille, gerade erst praktisch ganz neu gebaut worden. Die altehrwürdige Radrennbahn, die der mitten in einem Wohnviertel gelegenen imposanten Arena am Boulevard Michelt immer noch den Namen gibt, ist verschwunden. Vom Pressezentrum im zweiten Stock bis zur Pressetribüne in der siebten Etage fährt ein Aufzug. Einer. Fassungsvermögen; acht Personen. Bei entsprechendem Gewicht der Ausrüstung, oder auch der Reporter persönlich, sieben. Da braucht es Geduld. Bei etwa 300 Menschen, die auf und ab wollen. Eine Treppe gibt es auch. Aber die darf nicht benutzt werden. Warum auch immer. Fußball kann der Franzose besser als Organisation.
Auf den hellblau-weißen Trikot von „OM“ steht übrigens das in Ganz Frankreich bekannte Motto „Droit au but“. Das heißt „Direkt ins Tor“. Es kann aber auch mit „Ohne Umschweife zum Ziel“ übersetzt werden. Nun ja.
Wir entscheiden uns für die Rückreise für Letzteres. Am Ende der letzten Dienstfahrt werden wir 19 Stunden nach dem Aufbruch von Mutter Natur ein bisschen für das miese Wetter der ersten Wochen entschädigt. Mit einem sensationellen Sonnenaufgang über dem Genfer See auf der gegenüber liegenden Schweizer Seite. „Wenn der Alpenfirn sich rötet, Betet, freie Schweizer, betet!“, heißt es in der Nationalhymne der Eidgenossen:
Evian-les-Bains heißt auch am Morgen danach noch seine deutschen Gäste am Ortsschild willkommen. Der große schwarz-rot-goldene Schuh, der den Weltmeister in seinem Quartier grüßen soll, ist allerdings im französischen Siegestaumel zerstört worden.