#Euro2016 Das Ende des Kapitäns

Nach Frankreich wird der Rücktritt von Bastian Schweinsteiger erwartet. Fraglich ist noch die Verkündung.

Bastian Schweinsteiger nach dem verlorenen Halbfinale gegen Frankreich.

Bastian Schweinsteiger nach dem verlorenen Halbfinale gegen Frankreich.

Foto: Christian Charisius

Marseille. Zuerst will er gar nichts sagen. Er bleibt aber dann doch stehen, weil er aus langen Profijahren weiß, dass man in einem solchen Moment nach Mitternacht einfach etwas sagen muss.

Auch wenn es schwerfällt. War es das? Kann man eine Frage in diesen drei schlichten Worten formulieren, wenn man einen Weltmeister nach dem Ende seiner großen Laufbahn in der Nationalmannschaft fragt. Bastian Schweinsteiger schaut, als habe er in eine Zitrone gebissen, überlegt lange und sagt dann in Marseille nach dem 0:2 gegen Frankreich im Halbfinale der Europameisterschaft 2016: „Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Habe versucht, die ganze Energie, die ich habe, ins Turnier zu investieren. Nach den zwei Verletzungen war das nicht so einfach. Ich glaube, ich muss erst einmal Abstand gewinnen.“

Man hat immer noch die Bilder vor Augen. Bastian Schweinsteiger mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen von Maracana in der Verlängerung des Finales um die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien 2014. Kevin Großkreutz steht schon zur Einwechselung an der Seitenlinie bereit, aber Schweinsteiger steht wieder auf, nachdem die Ärzte den Riss unter dem Auge notdürftig geschlossen haben und hält 120 Minuten durch. Es war das Spiel seines Lebens.

Im Halbfinale von Marseille stellt der Bundestrainer ihn erstmals in die Startaufstellung. Und Schweinsteiger spielt, als sei er nur noch zu perfektem Stellungsspiel in der Lage. Keine langen Wege, keine langen Pässe. 18 Spiele bei Europameisterschaften, kein anderer absolvierte zwischen 2008 und 2016 mehr, Rekordspieler vor Philipp Lahm. „Er hat das gut gemacht“, sagt Löw nach dem Spiel.

Vorher hat er gesagt: „In einem Hexenkessel wie dem Vélodrome braucht man einen wie Bastian.“ Schweinsteiger unterläuft kurz vor dem Halbzeitpfiff des Italieners Nicola Rizzoli der vielleicht entscheidende Fehler. Handspiel im Strafraum. Elfmeter. Antoine Griezmann verwandelt eiskalt, das Stadion kocht.

Schweinsteiger sagt: „Eine schwierige Situation. Du musst blockieren oder versuchen, dich dagegen zu stemmen. Ich habe versucht, alles zu geben, hinzukommen. Ich kann es leider nicht erklären, warum die Hand hochkommt. Vielleicht weil der Gedanke sagt, du willst es unbedingt abwehren.“ Schweinsteiger wirkt fast ein wenig verzweifelt. „Man kann nur schwer erklären, wie das passiert. Leider ist es passiert, wo wir in der ersten Halbzeit die klar bessere Mannschaft waren.“ Kurz vor der Halbzeit geht das Halbfinale verloren. Schweinsteiger weiß das, sagt es aber nicht.

Schweinsteiger, bei Manchester United in der englischen Premier League nur noch ein „Mann für Minuten“, seine Zukunft unter José Mourinho ist eigentlich keine, ist ein Dauerverletzter. Im Training mit der Nationalmannschaft erlitt er in Berlin einen Innenbandteilriss im rechten Knie. Löw nannte die Verletzung „bitter“, schrieb seinen Kapitän aber nie ab, nominierte ihn für Frankreich. Bei der Euro wirkte er oft wie ein Fremdkörper, stets bandagiert an beiden Knien, wie einer, der die Wahrheit nicht zur Kenntnis nehmen will. Nach zwölf Jahren in der Nationalmannschaft und 120 Länderspielen scheint nun der Zeitpunkt gekommen. Sein Körper kann die Belastungen schon lange nicht mehr ignorieren, die ihm der Profifußball seit 15 Jahren zumutet.

Im Finale von Rio wuchs Schweinsteiger, durchaus nicht immer unumstritten in seiner Karriere, zum Vorbild. Als Schweinsteiger nach dem Sieg gegen Argentinien den Weltpokal in die Luft reckte, irgendwie fast gar nicht mehr in der Lage, auf seinen eigenen Beinen zu stehen, sprach Löw voller Respekt von „einer unmenschlichen Willenskraft, die ich in meinem Leben noch nie gesehen habe“.

„Ziemlich schnell nach unserem Triumph in Rio habe ich gemerkt, wie sehr es mich reizt, den Erfolg in Europa zu bestätigen“, sagte Schweinsteiger nach der Weltmeisterschaft. Womöglich war es die falsche Entscheidung.