Ein Deutscher zieht in Kiew die Strippen

Kiew (dpa) - Ukraine-Trikots im Straßenbild, Ukraine-Fähnchen an Autos: Der Co-Gastgeber der Fußball-EM hat seine eigene Version des „Sommermärchens“ - und verantwortlich dafür ist auch ein Deutscher.

Michael Hamalij, als Sohn ukrainischer Eltern im Sauerland geboren und am Niederrhein groß geworden, zieht in der Ex-Sowjetrepublik die Strippen hinter den Kulissen der Europameisterschaft. „Fröhlichkeit kann man nicht verordnen“, sagt der 45-Jährige bei einem Treffen im EM-Endspielort Kiew. „Aber man kann die Voraussetzung schaffen.“ Bei der WM 2006 in Deutschland hat das geklappt, und Hamalij sah genau hin: Er war damals Betreuer der ukrainischen Nationalmannschaft.

Das frühe Ausscheiden der eigenen Mannschaft hat der EM-Begeisterung im Lande wenig anhaben können, dabei herrschte bei der Führung in Kiew vor dem Turnier Skepsis: Europas zweitgrößter Flächenstaat hatte keinerlei Erfahrung mit einem solchen Großereignis. „Fanzonen mit internationalen freiwilligen Helfern und Camps für Fußballanhänger: das war auch in Deutschland 2006 noch kein Standard“, erzählt Hamalij bei einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Schrittweise überzeugte er die ukrainischen Behörden, sich auf das „Abenteuer EM“ einzulassen. „Damals schienen schon Kleinigkeiten undenkbar, zum Beispiel gemischte Polizeistreifen zur Deeskalation. Heute ist vieles davon normal.“ Die EM verändere das Land seiner Vorfahren zum Besseren, davon ist er überzeugt.

Hamalijs Eltern gerieten im Zweiten Weltkrieg nach Deutschland. „Meine Mutter kam in ein Lager bei Hamburg, mein Vater lebte in München.“ Beide lernten sich in Mönchengladbach kennen, wohin es Hamalij von der linken Duisburger Rheinseite aus stets zog. Von Europapokalspielen der Borussia schwärmt er noch heute. Nach einem Studium der Volkswirtschaft in Hamburg promovierte der Deutsch und Ukrainisch sprechende Hamalij in München über die Ukraine. Als sich das Team um Trainer Oleg Blochin 2005 für die WM in Deutschland qualifizierte, engagierte ihn der DFB als Betreuer. „Ein idealer Kandidat“, dachten dann 2010 auch die Organisatoren in der Ukraine.

Seit zwei Jahren berät der Volkswirt die Stadt Kiew in der eigens für die EM eingerichteten Abteilung EURO 2012. „Dass ein Deutscher in einer ausländischen Behörde Stimmrecht besitzt und ein solches Vertrauen genießt, ist wohl einzigartig“, sagt Hamalij und zollt der lokalen Verwaltung Respekt. Vermittelt wurde er vom Frankfurter Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM), einer Gemeinschaft der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Bundesagentur für Arbeit. Sein Auftrag: Die ukrainische Millionenmetropole fit zu machen für das größte Sportereignis in Osteuropa seit dem Ende des Kalten Krieges.

An diesem Juni-Morgen macht Hamalij noch vor Öffnung der Fanzone in Kiew um 12 Uhr einen Rundgang. Es ist historisches Terrain: Vom Platz der Unabhängigkeit aus gingen 2004 die Bilder der prowestlichen Orangenen Revolution um die Welt. „Als die EM-Auslosung Schweden nach Kiew brachte, wusste ich: Das wird ein Fest“, sagt er. Tatsächlich feierten tausende Skandinavier mit Einheimischen wochenlang eine unbeschwerte Party. Nun hofft Hamalij auf die DFB-Elf. „Ich bin überzeugt, dass sie das Finale am 1. Juli erreichen wird.“ Sein Optimismus ist nicht aufgesetzt: Vom EM-Stadtführer für Fans hat er schon vor Wochen eine deutsche Auflage drucken lassen. Vorsorglich.