EM-Trends: Torarmut, Neulinge, Deutschland neues Spanien

Paris (dpa) - Tormangel, starke Neulinge und nicht immer dominante Favoriten prägen die EM-Vorrunde. Vor dem Start in die K.o.-Phase verrät ein Blick in die Statistik der Gruppenspiele, warum Cristiano Ronaldo zeitweise verzweifelt und weshalb Deutschland das neue Spanien ist.

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TOR-FLAUTE: Gleich vier Nullnummern, so wenig Tore im Schnitt wie noch nie in einer Vorrunde. Die Maxi-EM steuert auf einen Mini-Wert zu. Nicht einmal zwei Treffer fielen pro Vorrunden-Partie: 1,92 gab es im Schnitt. Der bisherige Tiefstwert für eine Europameisterschaft von 1,4 bei der EM 1968, bei der nur fünf Spiele stattfanden, bleibt unangetastet. Doch bereits der zweitniedrigste Wert von 1,93 bei der EM 1980 wackelt. EM-Debütant Wales und Ungarn waren mit jeweils sechs Toren überraschend die treffsichersten Teams. Erstmals seit Dänemark 2000 blieb ein Team (Ukraine) komplett erfolglos.

KOPFSACHE: Der Trend zum Kopfballtor nimmt wieder ab. Wurde vor vier Jahren noch knapp jeder dritte Treffer per Kopf erzielt (29 Prozent), waren es nun nur noch 20 Prozent.

TURNIERFAVORIT?: Restlos konnte keiner der Titelanwärter in dieser Vorrunde drei Spiele lang überzeugen. Beleg: Zum ersten Mal seit 1996 erreichte kein Team die Maximalausbeute von drei Siegen in der Vorrunde.

TOP-NEULINGE: Erstmals seit 20 Jahren übersteht überhaupt wieder ein Neuling die Vorrunde - und dann kommen gleich vier der fünf Debütanten ins Achtelfinale: Wales, Island, Slowakei und Nordirland. Einzig Albanien scheitert.

SCHÜSSE: Mit dem 24. Schuss beendete Cristiano Ronaldo doch noch seine trefferlose Leidenszeit bei dieser EM. Insgesamt 32. Mal peilte der portugiesische Superstar in der Vorrunde das Tor an - fast doppelt so oft wie ganz Nordirland (17) und mehr als sieben weitere komplette Teams in drei Spielen. 69 Schüsse brauchte Portugal für seine vier Tore und war damit immerhin noch effizienter als England (65 Schüsse/3 Tore) und Deutschland (59/3).

BALLDOMINANZ: Deutschland ist das neue Spanien. Hatte der Titelverteidiger 2012 sowohl in der Ballkontrolle als auch den angekommenen Pässen dominiert, kommt das Team von Joachim Löw seinem Rivalen schon sehr nah. Beim Ballbesitz liegt Deutschland (66 Prozent) als Top-Team schon deutlich vor Spanien (61). Weit vor allen anderen Mannschaften kommen bei der DFB-Elf auch ähnlich viele Pässe an (1794) wie bei den Iberern (1876). Nur diese beiden Teams finden mit mehr als 90 Prozent aller Anspiele ihr Ziel. Bei Zuspielen im Angriffsdrittel ist Deutschland sogar top. Toni Kroos bringt die meisten Pässe der ganzen Vorrunde an den Mann (328), nur gut hundert weniger als ganz Nordirland (432).

DAUERBRENNER: Vladimir Darida fehlten weniger als fünf Kilometer zu seinem persönlichen Marathon. Der Tscheche von Hertha BSC legte bei drei Auftritten insgesamt 37,4 Kilometer zurück - über zwei Kilometer mehr als der nächste Spieler. Aus dem deutschen Team war Thomas Müller mit 33,7 Kilometern der lauffreudigste.

HÄRTE: Rüdes Spiel zahlt sich nicht immer aus - Rumänien musste als härtestes Team mit 52 Fouls ebenso nach Hause wie Albanien, das sich den Spitzenwert von zehn Gelben, davon einer Gelb-Roten Karte, einhandelte. Wie Rumänien kassierte allerdings auch Italien zehnmal Gelb und geht mit der großen Gefahr von Sperren nach der zweiten Verwarnung für einen Spieler in die K.o.-Runde. Deutschland war mit 32 Fouls und dreimal Gelb eines der bravsten Teams.

TORHÜTER: Cristiano Ronaldo brachte er schier zur Verzweiflung - und auch sonst war Hannes Halldorsson einer der isländischen Erfolgsgaranten. Mit 19 Paraden führte der Keeper die Rangliste der Torhüter an. Etwas unfair für Manuel Neuer: Die deutschen Gegner gaben gerade einmal 16 Schüsse ab, davon gingen nur vier aufs Tor.

ABWEHRTURM: Diese Ungefährlichkeit der Kontrahenten des Weltmeisters lag maßgeblich auch an Jérôme Boateng. Der deutsche Innenverteidiger eroberte 35 Bälle vom Gegner - Spitzenwert der kompletten Vorrunde. Ähnlich gut auch sein Nebenmann Mats Hummels, der bei nur zwei Auftritten 22-mal den Ball sicherte.