Trotz Querelen: Portugal feiert „Winner-Typ“ Ronaldo
Lyon (dpa) - „Genie“, „Sonnenstrahl“ - am Tag nach Cristiano Ronaldos Zwei-Tore-Gala gegen Ungarn spielten die Querelen um den Superstar in Portugals Medien schon keine Rolle mehr.
Die Erleichterung über die Glanzleistung des neuen EM-Rekordspielers beim 3:3 gegen Ungarn war im Land des selbst ernannten Titelanwärters überall zu spüren, auch die Meinungsmacher überschütteten den Real-Star nach dem gerade so verhinderten Vorrunden-Knockout mit Lob. „Ronaldo ist angesprungen“, kommentierte das Sportblatt „Record“. Die „A Bola“ bezeichnete den Stürmer aufgeregt als „Genie“; die Zeitung „I“ würdigte ihn als „Sonnenstrahl im kalten Wasser von portugiesischer Mittelmäßigkeit“.
Wenn das spektakuläre Remis gegen die ungarischen Gruppensieger eines bewiesen hat, dann dass die portugiesische Mannschaft tatsächlich komplett von Ronaldo abhängig ist. Nur mit den beiden Toren in seinem 17. EM-Spiel hielt der jetzt zweitbeste EM-Torschütze der Geschichte die Portugiesen am Mittwoch überhaupt im Turnier, die vagen Hoffnungen auf einen Titel im Nationaltrikot sind weiter da. „Cristiano braucht Tore, er ist ein Winner-Typ, ein Torjäger“, kommentierte Trainer Fernando Santos. „Ich bin sicher, das lässt sein Selbstvertrauen für das nächste Spiel gegen Kroatien noch mal anwachsen.“
Dass Portugals Verband abhängig ist von den Leistungen seines Stars, erklärt vielleicht auch, warum ihm die Offiziellen abseits des Platzes so vieles durchgehen lassen. Erst wenige Stunden vor dem entscheidenden Spiel ums Weiterkommen hatte Ronaldo für Aufregung gesorgt, als er einem Reporter am Rande des Spaziergangs das Mikrofon aus der Hand riss und es wortlos in einen See warf. Dabei hatte der Mitarbeiter des TV-Senders des portugiesischen Blattes „Correio da Manha“ dem 31-Jährigen nur eine höfliche Frage gestellt.
Nach seinen zwei Toren dann musste der zum Man of the Match gewählte Ronaldo bei der offiziellen UEFA-Pressekonferenz erscheinen - doch Fragen der Journalisten an ihn waren auf einmal nicht mehr zugelassen. Ronaldo gab an, der portugiesische Sprecher habe diese Entscheidung zu verantworten und versprach, sich in der Mixed-Zone zu äußern. Was er dann nicht tat. Nur vor ausgewählten Mikrofonen stellte er sich wenig kritischen Nachfragen - und zeigte sich zugleich optimistisch fürs Achtelfinale mit Spanien-Bezwinger Kroatien. „Nicht jeder gewinnt gegen Spanien. Aber wir haben auch unsere Waffen und unseren Wert“, versprach Ronaldo. „Wir werden auf Augenhöhe mit dem Gegner spielen und uns nicht verstecken.“
Bereits gegen Ungarn war Ronaldo offensiv zu Werke gegangen und hatte sein Team in Führungsspieler-Qualität mitgerissen. Teamkollege Nani (42. Minute) und eben Ronaldo (50./62.) glichen in Lyon dreimal ungarische Führungstreffer durch Zoltán Gera (19.) und Balázs Dzsudzsák (48./55.) aus. „Dreimal hätten wir eigentlich nach Hause gehen müssen“, erkannte Ronaldo. Bei einer Niederlage nämlich wäre am Donnerstag der Flieger Richtung Heimat gestartet. So aber ist nun Lens zum Achtelfinale am Samstag (21.00 Uhr) die nächste EM-Station. Mittelfeldprofi João Mário befand mit einem Hauch von Selbstkritik: „Wir haben nun Zeit, die Fehler zu korrigieren.“