Bale, Boateng, Iniesta - Wer wird der EM-Star?

Lens (dpa) - Fußballfeinkost ist bei der Europameisterschaft in Frankreich bisher ein recht seltenes Vergnügen. Dabei haben die Teams Künstler und Hochbegabte in ihren Reihen, von denen einer nach dem Turnier als der prägende Spieler in Erinnerung bleiben kann.

Eine Auflistung möglicher Kandidaten:

ANDRÈS INIÈSTA: Er kennt das Prozedere. Schon neun Mal bei einem großen Turnier ist der spanische Edeltechniker zum „man of the match“, zum besten Spieler der Partie, gekürt worden. Allein bei der EM bekam er zwei solcher Auszeichnungen. Nur beim 1:2 gegen Kroatien enttäuschte der 32 Jahre alte Welt- und Europameister. Zuvor begeisterte Iniesta wie kaum ein zweiter bei diesem Turnier. „Die neunte Symphonie von Iniesta“, schrieb die Sportzeitung „Marca“ nach der neunten Auszeichnung nach dem 3:0 gegen die Türkei.

Eine schöne Metapher. Nur gemessen an Toren liegen Iniestas Teamkollege Alvaro Morata und der Waliser Gareth Bale in der EM-Star-Kategorie derzeit in Führung. Doch Iniesta ist bislang der Künstler bei dieser spielerisch noch recht mauen Europameisterschaft „Der lebt in einer anderen Welt“, sagte Türkeis Hakan Calhanoglu. „In 30 Jahren kann ich erzählen, das ich damals mit Iniesta zusammengespielt habe“, sagte Mitspieler Nolito.

Prognose: Iniesta ist Top-Favorit, falls Spanien nicht an Italien scheitert. Dann dürfte sich der Fokus wohl auf andere richten.

GARETH BALE: Von den üblichen Verdächtigen ist der Superstar von Real Madrid bislang der Einzige, der vollkommen überzeugt. Der 26-Jährige führt die Torschützenliste zusammen mit Morata an. „Natürlich ist er der, der die spektakulären Tore macht“, sagte Wales-Coach Chris Coleman: „Aber er ist viel mehr für uns.“

Prognose: EM-Star wird er nur, wenn Wales mindestens ins Halbfinale kommt - aufgrund der Turnierkonstellation nicht mehr undenkbar.

JÉRÔME BOATENG: Der Innenverteidiger ist der herausragende Spieler Deutschlands. Teils spektakulär verhinderte der 27-Jährige mehrfach ein Gegentor. Mit 35 eroberten Bällen vom Gegner legte Boateng zudem einen Spitzenwert vor. „Er ist angesehen, weil jeder weiß, dass er ein Weltklasse-Innenverteidiger ist und nicht nur defensiv, sondern auch offensiv viele Impulse gibt“, lobte Coach Joachim Löw.

Prognose: Selten werden Verteidiger zum Turnier-Star gekürt. Ein prominentes Beispiel gibt es aber: Fabio Cannavaro führte Italien 2006 zum WM-Titel und wurde später Weltfußballer.

DIMITRI PAYET: Neben Paul Pogba ist Payet auffälligster Spieler beim Gastgeber Frankreich. Der 29-Jährige schoss das Siegtor zum 2:1 gegen Rumänien, traf zum 2:0 gegen Albanien und zeigte auch beim 0:0 gegen die Schweiz spektakuläres. „Seine Raffinesse und wie er reagiert, wann immer er die Möglichkeit hat, etwas besonderes zu tun“, lobte Experte Oliver Kahn den Mittelfeldspieler von West Ham United.

Prognose: Kann der EM-Star werden, wenn er auch gegen Top-Nationen überzeugt und Frankreich nicht vor dem Halbfinale scheitert.

GRANIT XHAKA: Der bisherige Gladbacher strotzt vor Selbstvertrauen. „Ich setze mir in Frankreich keine Grenzen“, tönte der 23-Jährige, liefert aber auch Klasse-Leistungen ab. Nicht umsonst war Arsenal bereit, 45 Millionen Euro für Xhaka zu zahlen. Seine Statistik-Werte sind überragend: In 270 Minuten spielte er rund 300 Pässe - mit einer Erfolgsquote von über 90 Prozent. Gegen Frankreich lag die gar bei 96 Prozent. „Er hat einen enormen Sprung hinter sich. Er ist das Gehirn dieser Mannschaft geworden“, sagte Ex-„Nati“-Coach Ottmar Hitzfeld.

Prognose: Xhaka ist im Rennen - wenn die Schweiz weit kommt.

LUKA MODRIC: Aus einer Ansammlung herausragender Individualisten sticht der kleine Stratege von Real Madrid noch hervor. War bis zum zweiten Vorrundenspiel beim 2:2 gegen Tschechien klar bester Kroate, fiel dann aber verletzt aus. Kommt Modric in der K.o.-Runde so stark wie zuvor zurück, ist vieles möglich. „Ich will mit Kroatien endlich einmal ein großes Turnier gewinnen oder zumindest ganz weit kommen.“

Prognose: Die Turnierkonstellation ist günstig. Kroatien könnte es bis ins Finale schaffen. Dann hätte Modric beste Aussichten.

CRISTIANO RONALDO: Den Real-Madrid-Superstar darf man einfach nie abschreiben. Auch in schlechten Spielen ist CR7 für Tore gut. Bis Mittwoch galt Ronaldo noch als Enttäuschung; und könnte bei einem Aus gegen Kroatien wieder in dieser Kategorie landen. Doch beim 3:3 gegen Ungarn führte Ronaldo sein Land per Doppelpack in die K.o.-Runde.

Prognose: Wird womöglich wieder Weltfußballer, aber nicht der EM-Star. Portugal ist ein längerer Verbleib kaum zuzutrauen.