Fußball-EM Der Fall Eriksen: Lichtblicke der Menschlichkeit, aber…
Es gibt viel wichtigere Dinge als Fußball. Das war vermutlich der meistgedachte und meistgesagte Satz am Wochenende. Das Drama um den dänischen Fußballer Christian Eriksen, das allem Anschein nach ein Happy End bekommt, rückt zurecht, was im auf Erfolg und Geld getrimmten Wertekanon der Sonderwelt des Profifußballs schnell verrutscht.
Das zeigte sich in den Reaktionen auf den Schock von Kopenhagen: Der Fußball spielte keine Rolle mehr, als es um Leben oder Tod ging. Ein entschlossener Schiedsrichter, reaktionsschnelle Mediziner und dänische Spieler, die ihren Freund vor den voyeuristischen Blicken der Kameras schützten, dazu respektvolle TV-Kommentatoren, die Anteilnahme und die Wechselgesänge der Fans – das waren ergreifende Lichtblicke der Menschlichkeit, die über den Tag hinauswirken dürfen.
Oder sogar müssen, denn die Überhöhung des Fußballs hat im Zusammenspiel mit sozialen Netzen dazu geführt, dass Urteile über Spieler, Trainer, Funktionäre oder Schiedsrichter immer schneller, immer gnadenloser gefällt werden. Da ist nichts wichtiger als der Fußball, als der Sieg – bis zum nächsten Schock, dessen heilsame Wirkung schnell verfliegt.
Deshalb war es ein Fehler der Uefa, das Spiel fortzusetzen, und es war fragwürdig, den Teams als Alternative den nächsten Tag für ein Wiederholungsspiel anzubieten, auch wenn es das Regelwerk so vorschreibt. An dieser Haltung muss sich etwas ändern, darauf müssen auch die nationalen Verbände drängen.
Das Spiel musste im Namen der Anteilnahme und mit Rücksicht auf Akteure und deren Angehörige abgebrochen und bis ausgesetzt werden – und zwar ohne gleich eine Lösung parat zu haben. Es gibt Situationen, in denen nur die Menschlichkeit zählt. Wenn unsere Welt still steht vor Schreck und Sorge, dann muss auch der Ball ruhen.