Deutsche Nationalmannschaft Der Schock sitzt tief

Der Schock sitzt tief. Auch am Montag danach. Und jedem ist anzumerken, wie erleichtert man ist, dass Christian Eriksen die Herzattacke in Kopenhagen lebend überstanden hat.

Der Schock nach dem Herzstillstand von Christian Eriksen sitzt tief.

Foto: dpa/Stuart Franklin

Rückblende. Kopenhagen, Samstagabend 18.43 Uhr, Eriksen bricht im Spiel der Dänen gegen Finnland auf dem Platz im Stadion des FC Kopenhagen zusammen. Was folgt, ist ein Drama. Die Dänen schirmen ihren Mannschaftskollegen ab, die Notärzte kämpfen um sein Leben, lebensrettende Maßnahmen, Herzmassagen, geschockt mit dem Defibrillator, Abtransport ins Krankenhaus. Nach zwei Stunden passiert das Unerklärliche, die Europäische Fußball-Union Uefa entscheidet, nach Rücksprache mit beiden Mannschaftsleitungen, das Spiel fortzusetzen. Eriksen, im Leben zurück, habe dem zugestimmt. Seine Mannschaftskollegen spielen nach dem Trauma weiter und verlieren gegen Finnland mit 0:1. Diskussionen ohne Ende.

Deutschlands Mannschaftsarzt Professor Dr. Tim Meyer wehrt sich gegen Mutmaßungen. Ob er entschieden hätte, trotz des Dramas weiterzuspielen? „Dazu will ich mich nicht äußern, spekulative Fragen will ich nicht beantworten. Ich war nicht vor Ort, ich kann das nur von Fernsehbildern beurteilen“, sagt Meyer in Herzogenaurach, konkreter will er nicht werden. „Ich hätte nach diesem Vorfall auf keinen Fall gespielt“, sagt Antonio Rüdiger. „Wir haben eine Grußbotschaft nach Kopenhagen geschickt, ein Foto der Mannschaft mit den besten Wünschen für Christian“, erzählt Lukas Klostermann. Alle seien sehr erleichtert. „Wenn man wieder auf dem Platz steht, denkt man nicht mehr dauernd daran.“

Die Mannschaft sei sehr betroffen gewesen, berichtet Meyer. Der Chef-Mediziner bleibt aber trotzdem zurückhaltend: „Offensichtlich ein kardiales Ereignis, Rhythmusstörungen, aber die lebensrettenden Maßnahmen haben alle Funktonen des Körpers offensichtlich erhalten. Es muss sich um Kammerflimmern gehandelt haben, aber ich will das aus der Entfernung wirklich nicht beurteilen. Was wir empfinden, ist Erleichterung, dass es Christian Eriksen den Umständen entsprechend gut geht.“

Der Mediziner wird nach präventiven Maßnahmen gefragt. „Natürlich werden die Spieler regelmäßig untersucht, Eriksen spielt in Italien, das medizinische System dort gilt als vorbildlich. Aber trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wird immer ein Risiko bleiben.“ Es kommt darauf an, die richtigen Leute an der richtigen Stelle zu haben. Notärzte im Stadion, die in der Lage sind, schnell zu reagieren. Was in Kopenhagen auch geschehen ist. Man habe an den Fernsehbildern gesehen, dass sofort die richtigen Maßnahmen eingeleitet wurden, sagt Meyer.

Mehr will er nicht sagen. „Solche Fälle sind nicht gänzlich zu vermeiden“, sagt der Mediziner aus Saarbrücken, der seit 2001 die Nationalmannschaft betreut. Eriksens Gehirn sei nach dem kardialen Ereignis „vorübergehend mit zu wenig Sauerstoff versorgt worden und er ist ins Straucheln gekommen“. Die Frage nach dem Warum sei aus der Ferne nicht zu beurteilen: „Die Behandlung war offenbar im Sinne der Erhaltung der Lebensfunktionen erfolgreich.“ Dass der Spieler in der Klinik ansprechbar gewesen ist, sei nicht ungewöhnlich. Was Meyer im konkreten Zusammenhang wichtig ist: Der Vorfall stehe nach allen bisherigen Informationen nicht in Verbindung mit Corona oder einer Impfung des Spielers.

Ob ein Vorfall wie dieser auch in München möglich sei? Die Mannschaften des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) werden regelmäßig kardiologisch untersucht, sagt Meyer: „Die Empfehlungen auf der europäischen Ebene liegen weit unter dem, was wir beim DFB realisieren.“ Da müsse nicht an irgendwelchen Stellschrauben neu gedreht werden, meint Meyer: „Man kann nicht mehr tun, als dafür zu sorgen, dass kompetente Notärzte vor Ort sind, die in entscheidenden Situationen in der Lage sind, das Richtige zu tun.“ Das sei in Kopenhagen geschehen: „Wenn so etwas in einem Kaufhaus passiert, ist man nicht in der Lage, so schnell zu reagieren.“