Interview mit Joachim Löw: „Ich bin nicht im Showgeschäft“
Joachim Löw ist kein Freund von sozialen Netzwerken. Der Bundestrainer konzentriert sich nur auf den Fußball. Ziel ist der Titel in Kiew.
Düsseldorf. Am Montag beginnt für Bundestrainer Joachim Löw mit dem Bezug des Quartiers in Danzig die Titel-Mission bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine.
Im Interview spricht der Bundestrainer darüber, warum er mehr auf die Bayern als die national dominierenden Dortmunder setzt, wie er mit den hohen Titelerwartungen umgeht, was ihm an Manuel Neuer besonders imponiert hat und was er von sozialen Netzwerken wie Facebook hält.
Herr Löw, Helmut Schön, Franz Beckenbauer, Berti Vogts — wissen Sie, wie diese drei Nationaltrainer bei ihrem dritten Turnier abgeschnitten haben?
Joachim Löw: Wahrscheinlich haben sie den Titel gewonnen.
Genau. Betrachten Sie das als gutes Omen oder zusätzlichen Druck?
Löw: Für mich ist das dann eher ein gutes Omen.
Gehen Sie in Ihr drittes Turnier als Bundestrainer mit der bislang besten Mannschaft?
Löw: Vielleicht mit der talentiertesten Mannschaft. Die jungen Spieler haben eine gute Qualität. Aber manche haben mehr nationale Erfahrung und weniger internationale.
Borussia Dortmund ist Meister, trotzdem gibt der FC Bayern den Ton an bei der Nationalmannschaft. Ist das ein Widerspruch?
Löw: Blockbildung spielt für mich eine untergeordnete Rolle. Die Spieler müssen meine Anforderungen erfüllen. Für die Aufstellung entscheidet allein Qualität. Wenn ich Zeit habe, bin ich in der Lage, unterschiedliche Vereine und Philosophien auf eine Linie einzuschwören. Lahm, Schweinsteiger, Müller und einige andere haben schon bei der WM und auch in der Champions League eine gute Rolle gespielt. Wir spielen — bei allem Respekt — nicht gegen Hoffenheim, Nürnberg und so weiter. Wir spielen gegen die Top Ten der Welt, gegen Spanien, den aktuellen Welt- und Europameister.
Könnte dafür Polen extrem vom Dortmund-Faktor profitieren?
Löw: Polen lebt vom Dortmund-Faktor. Die tragenden Säulen bei Polen — Lewandowski, Blaszczykowski und Piszczek — sind extrem gut in der polnischen Nationalmannschaft.
Wie gehen Sie nach der Rekord-Qualifikation mit zehn Siegen in zehn Spielen mit der riesigen Erwartungshaltung einer ganzen Nation um?
Löw: Ich gehe damit entspannt um. Die Erwartungshaltung ist immer groß. Die Entwicklung der Mannschaft gibt mir als Trainer ein gutes Gefühl. Spielerisch ist vieles besser geworden als vor fünf, sechs Jahren. Trotz des sehr jungen Teams waren wir in der Lage, uns gegen große Nationen fußballerisch gut zu präsentieren. Das gibt mir einen hohen Grad der Zufriedenheit.
Aber der Titelgewinn ist das Ziel?
Löw: Man sollte nicht ständig vom Titelgewinn sprechen. Manche Nationen haben 50 Jahre gewartet wie die Spanier. Wir streben den Titel an, aber wir wollen mit Leichtigkeit spielen und nicht verkrampfen. Wir wollen attraktiven, modernen Fußball spielen — das ist auch ein ganz wichtiges Kriterium für mich.
2010 sind Sie mit einer ungeklärten Zukunft ins WM-Turnier gegangen. Erleichtert es Sie, nun schon einen Vertrag bis 2014 zu haben?
Löw: Nein. Es nervte in Südafrika vielleicht mal eine Frage danach, aber es hat keine Energie weggenommen. Ich kann das ausblenden. Es hat mich nicht belastet.
Gerade Ihre jungen Nationalspieler nutzen Facebook und twittern. Wie gehen Sie mit den sozialen Netzwerken um?
Löw: Für mich spielen sie nur eine ganz untergeordnete Rolle, weil ich schlechte Erfahrungen damit gemacht habe. In Facebook gibt es ja Leute, die unter meinem Namen eine Seite betreiben. Das kann ich nicht akzeptieren. Aber ich verstehe auch die Spieler, das ist eine andere Generation. Für sie ist es vollkommen normal, dass sie Dinge in die Öffentlichkeit geben, was sie empfinden oder was sie so tun. Ich suche den Kontakt mit ihnen per Telefon oder E-Mail. Das ist mein Stil, das ist für mich in Ordnung, mehr nicht.
Sie meiden Talkshows, treten nicht politisch in Erscheinung und beteiligen sich nicht an öffentlichen Debatten. Wann würden Sie Ihre besondere Position nutzen?
Löw: Ich bin nicht im Showgeschäft und bin auch nicht auf politischer Ebene tätig. Ich tue das, was für mich an erster Stelle steht. Bundestrainer zu sein, bedeutet für mich, sich auf Fußball zu konzentrieren.