Irlands Fans sind die Lieblinge der EM
Paris (dpa) - Sie singen und tanzen für eine Nonne, für eine junge Französin, für ein Baby, sogar für die Polizei und gegnerische Fans: Die Fußballanhänger aus Irland - ebenso wie ihre Nachbarn aus dem Norden der Insel - sind bereits jetzt Europameister.
Im Feiern.
Dabei sind sie immer gut gelaunt, immer bereit für eine feucht-fröhliche Verbrüderung, sei es mit Schweden, Belgiern oder Deutschen. Seit Beginn der EM entzücken die Anhänger der „Boys in Green“ Einheimische, ausländische Fans und das Netz. Ganz Fußball-Europa liebt und bewundert diese „irren Iren“ - ein Wortspiel, an dem viele Medien nicht vorbeikommen.
Fußball, Alkohol und Emotionen - oft eine explosive Mischung, die zu Prügeleien führt. Bereits am ersten EM-Wochenende überschatteten Krawalle russischer und englischer Hooligans die Fußball-Europameisterschaft. Auch kroatische Fans lieferten sich wüste Schlägereien. Aber nicht die Fans von der Insel.
Fast täglich taucht im Internet ein neues Video von einer weiteren Charme-Offensive der Iren auf. In Bordeaux umzingeln sie eine hübsche Blondine und singen ihr ein Ständchen. „Can't take my eyes off of you...“, grölen sie unharmonisch, die junge Frau im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit errötet und filmt die Menge - später sagt sie: „Ich dachte, ich träume. Es war so nett und humorvoll.“
Mal helfen die „Fans in Green“ einem Ehepaar beim Reifenwechsel. Mal feiern sie in einem Zug mit einer Nonne - und singen das Vaterunser. Andere singen einem Baby in einer Straßenbahn ein Schlaflied. Dann wieder räumen sie unter lautem Gesang („Clean up for the boys in green“) wie selbstverständlich ihren Müll von der Straße. In einem Video klopfen Irland-Fans eine Delle aus einem Autodach, die zuvor einer von ihnen verursacht hatte. Und einen unbekannten Franzosen auf einem Balkon in Paris bejubeln sie, als stünde Torschütze Robbie Keane vor ihnen.
Auch das Herz des Achtelfinalgegners Frankreich haben die Fans von der Insel erwärmt. „Das irische Publikum hat die EM schon gewonnen“, schrieb die Zeitung „Le Parisien“. „Ihr Lachen, ihre Gesänge, und ihre sympathische Art erinnern zum Glück daran, dass die Hooligans aus dem Osten oder aus England eine winzige Minderheit sind.“ Selbst nach der 0:3-Niederlage gegen Belgien in Bordeaux verhielten sich die Anhänger der Mannschaft vorbildlich. Ein Video zeigt, wie eine Gruppe Iren die Polizei besingt: „Stand up for the French police“. Alain Juppé, Bürgermeister von Bordeaux, twitterte: „Fußball, wie man ihn liebt! Danke an die Anhänger Irlands, danke an unsere Polizei.“
Sogar die ansonsten eher grimmig dreinblickenden Anti-Terror-Einheiten des von Gewalt gebeutelten Gastgeberlandes können der Charme-Offensive nicht widerstehen und posieren für ein Erinnerungsfoto mit den grünen Scharen.
Der Mannschaft scheint die vorbehaltlose Unterstützung auch zu helfen. Nach dem 1:0-Sieg über Italien sagte Nationaltrainer Martin O’Neill: „Die Energie zwischen den Fans und den Spielern war einfach gigantisch und hat uns über die Ziellinie getragen.“ Abwehrspieler Richard Keogh schwärmte: „Was für eine unglaubliche Nacht. Großen Dank an unsere unglaublichen Fans.“
Die Nachbarn aus dem Nordteil der Insel stehen dem in nichts nach. Ebenfalls in grün gekleidet, ebenfalls dem Bier nicht abgeneigt, ebenfalls sangesfreudig, versetzen die Nordiren Stadien und Plätze nicht nur mit ihrem Hit „Will Grigg's on fire“ in Feierstimmung - da klatschen selbst die Fans des Gegners mit. Bastian Schweinsteiger twitterte nach dem 1:0-Sieg über Nordirland auf Englisch: „Fantastische Unterstützung gestern. Auch alle Fans aus Nordirland sorgten für eine tolle Atmosphäre.“
Ob das gute Karma der Anhänger ihren „Boys in Green“ im Achtelfinale gegen die überlegenen Gegner Wales (Nordirland, Samstag) und Frankreich (Irland, Sonntag) helfen wird, muss sich noch zeigen. Sicher ist aber: Ob Sieg oder Niederlage, die Fans in Grün werden ihre Mannschaften mit lautstarkem Gesang feiern - und das Bild dieser EM nachhaltig prägen.