Keine bedrohten Spezies - Mittelstürmer unverzichtbar

Danzig (dpa) - Sie müssen nach hinten arbeiten, richtig stehen - aber vor allem sollen sie treffen: die Mittelstürmer. Bei der EM in Polen und der Ukraine ziehen Torres, Gomez & Co. die Blicke auf sich.

Für DFB-Teammanager Bierhoff gehören sie zu einer kostbaren Gattung.

Von wegen bedrohte Spezies: Die Mittelstürmer sind bei dieser Fußball-EM unverzichtbar. Spaniens Coach Vicente del Bosque hatte es zum Turnierauftakt gegen Italien (1:1) ohne gelernten Angreifer versucht - diese Entscheidung aber gleich in der zweiten Partie gegen Irland (4:0) wieder revidiert. Fernando Torres schoss sich mit zwei Treffern in die Stammformation des Welt- und Europameisters.

Der pfeilschnelle Torres, frisch gekürter Champions League-Sieger mit dem FC Chelsea, ist das beste Beispiel einer Gattung, die bei dieser EM wie immer im Fokus steht: Der Mittelstürmer, ohne den große Titel fast undenkbar sind. Die Spanier hoffen auf el „El Niño“ („Das Kind“) Torres, dem bereits beim EM-Gewinn 2008 im Finale gegen Deutschland das entscheidende Tor gelungen war. Das deutsche Team vertraut Mario Gomez, England Wayne Rooney und die bereits ausgeschiedenen Kroaten konnten sich auf Mario Mandzukic verlassen. Schwedens Zlatan Ibrahimovic demonstrierte seine Abschluss-Souveränität zumindest in einer Partie.

Allein die genannten Angreifer kommen zusammen auf die stattliche Ausbeute von elf Treffern nach der Vorrunde. Gomez & Co. verunsicherten auch als Sturmsolisten die gegnerischen Abwehrreihen, banden meist mehrere Verteidiger und schufen so Freiräume in dem bevorzugten 4-2-3-1-System für ihre Mitspieler.

„Meiner Meinung nach sollte im 16er immer ein Stoßstürmer agieren“, sagte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff jüngst. „Ich freue mich darüber, dass Mannschaften erfolgreich sind, die eine zentrale Spitze haben.“ Der 44 Jahre alte frühere Nationalspieler weiß, wovon er spricht: Er war selber ein Weltklassestürmer. Seine Vita ziert das „Golden Goal“ im EM-Finale 1996 gegen Tschechien.

Joachim Löw befindet sich sogar in der luxuriösen Lage, gleich zwei starke Mittelstürmer zu haben. Neben dem bisher dreimal erfolgreichen Bayern-Profi Gomez hat der Bundestrainer noch die frühere Nummer eins im Sturm, Miroslav Klose, in der Hinterhand. Und der Profi von Lazio Rom macht seinem Nachfolger regelrecht Beine. Beim so wichtigen Auftakterfolg gegen Portugal war Klose schon zur Einwechslung bereit, ehe Gomez in der 72. Minute mit einem Kopfball zuschlug - und dann für den Oldie Platz machte. „Er hat einen sehr guten Lauf“, sagte Löw über Gomez, der Deutschland gegen Griechenland ins EM-Halbfinale schießen soll.

In einer ausgezeichneten Verfassung zeigte sich auch der Wolfsburger Mandzukic. Der 26-Jährige nutzte wie kaum ein Zweiter die EM als Bühne, um sich mit drei Treffern und Gala-Auftritten Topclubs zu präsentieren. „Es geht nicht um mich, sondern um die Mannschaft“, erklärte er bescheiden.

So viel Zurückhaltung ist Ibrahimovic fremd. Die schwedische Diva geht als erster Doppel-Torschütze bei drei EM-Endrunden in die Geschichte ein. Sein spektakulärer Seitfallzieher zur Führung beim letztlich bedeutungslosen 2:0-Sieg über Frankreich war ein echter Leckerbissen. „So ein Tor von Zlatan sehen wir jeden Tag im Training“, kommentierte Stürmer Markus Rosenberg.

Mit etwas Verspätung verhalf auch Rooney der Mittelstürmer-Gattung zu neuer Blüte bei dieser EM. Bei seinem ersten Auftritt nach einer Rotsperre erzielte der 26-Jährige von Manchester United in bester Abstaubermanier den erlösenden Treffer zum 1:0 gegen die Ukraine. „Er wird mit jedem Spiel stärker, bekommt mehr Selbstvertrauen. Er ist so wichtig für uns“, lobte Kapitän Steven Gerrard. Auch Rooney ackerte für das Team. Das Anforderungsprofil der Knipser hat sich ohnehin längst verändert. Der lauffaule Spezialist, der vorne auf verwertbare Vorlagen wartet, stirbt langsam aus.