Deutsches Team Löw: „Wir wissen, wohin wir wollen“

Bundestrainer — Joachim Löw hält auch nach großem Verletzungspech an seinen Zielsetzungen in Frankreich fest.

Joachim Löw.

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Evian. Joachim Löw überlegt nur kurz. Und seine Antwort ist klar und eindeutig. „Unsere Zielsetzung für Frankreich wird sich nicht verändern, wir wissen, wohin wir wollen“, sagt der Bundestrainer. Als er in Evian-les-Bains danach gefragt wird, ob das Verletzungspech im Vorfeld der Europameisterschaft 2016 in Frankreich nicht doch irgendwelche Konsequenzen habe. Ilkay Gündogan ist nicht dabei, Marco Reus auch nicht. Und nach dem ersten Training in Evian muss Löw auch auf Antonio Rüdiger verzichten.

Entschlossen schaut Löw in den Saal. „Natürlich fehlen uns Spieler, die ich vor Monaten in meiner Mannschaft gesehen habe“, spricht Löw. „Natürlich hätte ich gerne den Kader, den ich vor einigen Wochen noch im Kopf gehabt habe. Aber wir werden mit den Möglichkeiten umgehen, die wir jetzt haben. An den Zielen ändert sich nichts, so gehen wir das an.“

Joachim Löw ruht in sich. Seit er im Maracana von Rio de Janeiro, im Machtzentrum des internationalen Fußballs, Weltmeister geworden ist, muss sich Löw für nichts mehr rechtfertigen. Und dieser Bundestrainer kann auch bei prominenten Verletzungen aus einem Reservoir schöpfen, von denen seine Trainerkollegen nur träumen können. Das ändert nichts an seinem Selbstbewusstsein.

Natürlich hat sich sein Auftreten nach der Weltmeisterschaft verändert. Wenn der Bundestrainer jetzt auf vor ihm liegende Turniere blickt, spricht er gern von einem „Masterplan“, den er sich zurechtgelegt hat. Wenn man Löw auf dem Trainingsgelände in Evian beobachtet, ist er das Zentrum. Der bloße Augenschein macht deutlich, dass da ein Mann am Werke ist, der von sich überzeugt ist, der Fehler gemacht hat, nicht zuletzt bei der letzten Euro 2012, der sich aber seines Weges und seiner Zielrichtung gewiss ist.

Aber auch dieser Bundestrainer weiß, dass die Erfolge von gestern nichts zählen, wenn neue Turniere anstehen. Sie haben neue Trainingsformen entwickelt, um an ihren Problemen zu arbeiten. Löw spricht nicht nur, Löw doziert. Die offensiven Standards haben sie verbessert, ganz sicher, bei den defensiven gibt es noch Probleme. Nach dem Titel von Rio trafen den Bundestrainer drei mehr oder erwartbare Rücktritte. Kapitän Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker haben sich verabschiedet. Von seinen aktuellen Führungsspielern sind mindestens Bastian Schweinsteiger und Mats Hummels noch angeschlagen oder noch weit von der Topform entfernt. Sami Khedira, Thomas Müller und vor allem auch Toni Kroos versuchen, die entstandenen Lücken zu schließen. Schweinsteiger ist und bleibt Kapitän, Löws erster Ansprechpartner. An seinem Stellenwert lässt der Bundestrainer keine Zweifel. Obwohl Löw wissen muss, dass der Mann von Manchester United meilenweit von der Form entfernt ist, die ihn im Finale von Maracana zum Vorbild werden ließ.

Löw weiß um die starke Konkurrenz bei der Euro. Die Spanier schätzt der Bundestrainer weiter hoch ein, auch die Franzosen. Alle spielen sie auf höchstem Niveau, der europäische Clubfußball unterstrich einmal mehr, dass die spanischen Vereine weiter führend sind. Dass England auf dem Vormarsch ist, eine junge, hungrige Mannschaft, die sich unter Roy Hodgson neu formiert hat. Die Altvorderen spielen bei diesem Manager keine Rolle mehr. Nicht nur die Tageszeitungen auf der Insel predigen, dass in England der Stolz zurück ist. Die Mannschaft von Löw führte zuletzt im Olympiastadion von Berlin mit 2:0. Und verlor mit 2:3.

Die Konkurrenz ist groß. Nichts Neues für den Bundestrainer. Und er geht souverän damit um. So souverän, dass er die Europameisterschaft in Frankreich zwischendurch schon einmal als „Zwischenstation“ auf dem Weg zur Weltmeisterschaft 2018 in Russland bezeichnete, wo der Weltmeister seinen Titel verteidigen will. „Wir werden uns jetzt intensiv mit der Ukraine beschäftigen“, sagt Löw. „Wir werden am Sonntag in der Form sein, die wir brauchen.“ Benedikt Höwedes und Shkodran Mustafi werden nach der schweren Verletzung von Rüdiger Löws Alternativen in der Innenverteidigung sein, wenn es am Sonntag in Lille (21.00 Uhr/ARD) erstmals um Punkte in Frankreich geht. „Wir wollen möglichst lange im Turnier bleiben“, sagt Präsident Reinhard Grindel in Evian. Der hat am Freitag sein CDU-Bundestagsmandat zurückgegeben und ist jetzt nur noch Präsident. Und kein Berufspolitiker mehr. 300000 Euro gibt es für jeden, wenn sie das Finale gewinnen. Der Präsident nennt das „moderat“, wenn alles klappt in Frankreich, wird der Deutsche Fußball-Bund (DFB) 23 Millionen Euro ausgeben und 25 Millionen einnehmen.

Am Sonntag ist das Vorgeplänkel vorbei. Dann zählt es für den Weltmeister und den Bundestrainer. Ein erneuter Triumph würde sie auf eine Ebene mit Spanien heben. Was nichts daran ändert, dass die Fallhöhe hoch ist. Für die Mannschaft. Und für Löw.