Neumann erste Kommentatorin eines EM-Spiels
Bordeaux (dpa) - Als erste Frau kommentiert die ZDF-Reporterin Claudia Neumann ein Fußballspiel bei einer Männer-Europameisterschaft. Dadurch hat sich ihr Arbeitsalltag zuletzt verändert. Auf einmal wird über die Berichterstatterin selber berichtet.
Sind Sie überrascht, wie groß das Interesse an Ihnen auf einmal ist, obwohl Sie schon seit Jahren den im Prinzip gleichen Job machen?
Neumann: Das Interesse gilt ja glücklicherweise nicht mir als Person, ich transportiere nur ein gesellschaftspolitisches Thema. Noch immer fragen wir uns, in welcher Funktion passen Frau und Fußball so zueinander, dass es eine breite Akzeptanz erfährt. Mir war schon bewusst, was im Vorfeld der Spiele passiert. Ebenso bin ich übrigens vorbereitet, was im Nachgang auf mich zukommen wird, so oder so.
Wie ist es für Sie, dass Sie auf einmal bei Interviews nicht die Fragen stellen, sondern die Antworten geben?
Neumann: Unabhängig davon, dass ich mit einigen Kollegen sehr angenehme, interessante Gespräche geführt habe, wird das nicht meine Lieblingsdisziplin. Zudem kann ich mich in der Sache oft nur wiederholen, ich mache diesen Job, weil es Teil meines Berufes ist und ich eine große Leidenschaft für den Fußball hege, und nicht, um irgendjemanden in seinem Weltbild zu erschüttern.
Wird man als Frau im Fußball-Journalismus noch immer anders beurteilt?
Neumann: Kommt drauf an von wem. Von den Kollegen im Arbeitsalltag sicher nicht, da richtet sich jede Kritik, positiv wie negativ, ausschließlich nach Inhalten. Bei den Zuschauern sieht das anders aus. Wenn jemand per se die Frauenstimme bei Fußball-Kommentaren ablehnt, ist eine neutrale Beurteilung kaum möglich.
Welche Unterschiede gibt es für Sie bei der Arbeit zwischen Frauen- oder Männer-Spielen?
Neumann: Das fängt schon bei der Vorbereitung an. Wenn ich bei einer Frauen-WM Costa Rica gegen Südkorea kommentiere, sind die Vorab-Informationen rar. Der Männerfußball hingegen ist so transparent, da gibt es alles in Hülle und Fülle. Während des Spiels kann es im Frauenfußball zäher werden, weil es vorkommt, dass 20 Minuten nichts passiert. Ballgeschiebe in der neutralen Zone mit regelmäßigen Ballverlusten auf beiden Seiten. Dann legst du den Finger in die Wunde, benennst die Fehler und müsstest dann eigentlich lange schweigen. Das ist aber schwierig, wenn beispielsweise nur ein paar Hundert Zuschauer da sind. Keine Stimmung, keine Geräuschkulisse, furchtbar langweilig. Das verleitet dann doch wieder dazu, irgendwelche Rand-Geschichten zu erzählen. Solche Probleme gibt es beim Männerfußball nicht. Hier liegen die Tücken eher im intensiven Tempospiel. Es ist mitunter sehr schwer, strittige Szenen sofort im Realbild zu beurteilen.
ZUR PERSON: Claudia Neumann (52) arbeitet seit 1999 für das ZDF, davor auch bei RTL und Sat.1. Sie berichtete bereits von Olympischen Spielen und Fußball-Weltmeisterschaften der Frauen.