Schmerzhaftes Bayern-Jahr - „Viermal auf die Fresse“

Warschau (dpa) - Wieder nichts. Die Generation um die Kapitäne Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger bleibt international ungekrönt - für die Bayern-Fraktion war der italienische Jubelabend der negative Schlusspunkt einer Saison mit Pleiten, Pech und Pannen.

Torjäger Mario Gomez drückte es in den Katakomben der Warschauer EM-Arena drastisch aus: „Wir haben viermal auf die Fresse gekriegt.“ National mussten die Bayern in Bundesliga und DFB-Pokalfinale zweimal die Überlegenheit von Borussia Dortmund anerkennen, dazu kam der Keulenschlag gegen den FC Chelsea im Champions-League-Finale im eigenen Stadion. Dreimal Vize - und nun geschlagen im Halbfinale.

„Natürlich ist es wieder eine Riesenenttäuschung für uns, auch das Champions-League-Finale war eine Riesenenttäuschung für uns“, sagte Kapitän Lahm mit leerem Blick. „Es ist sehr bitter. Wir haben alle einen großen Traum gehabt. Wir haben sehr daran geglaubt. Jetzt fahren wir nach Hause mit leeren Händen“, stöhnte Gomez.

Sieben Bayern-Spieler standen beim 1:2 gegen Turnier-Angstgegner Italien in der Startformation, Thomas Müller wurde als achter eingewechselt. Es war auch ein bisschen FC Bayern gegen Juventus Turin. Der italienische Rekordchampion stellte mit seinen Führungskräften Andrea Pirlo und Torhüter Gianluigi Buffon insgesamt sechs seiner Meisterspieler, die triumphierten. Trotzdem klagte Abwehrspieler Holger Badstuber: „Warum geht's immer um die Bayern-Spieler? Wir sind doch eine Mannschaft. Wir haben doch alle zusammen verloren. Es ist ein bitterer Moment.“

Die Bayern sollten den Karren ziehen, sie konnten es nicht bis zum Ende. Es ist das Markenzeichen dieser verlorenen Saison, dass die Mia-san-mia-Fraktion das Sieger-Gen in den entscheidenden Partien der Saison weder im Verein noch im Nationalteam einbringen konnte. „Wir hatten uns mehr erhofft, aber es ist nun mal, wie es ist“, erklärte Bastian Schweinsteiger, das Sinnbild für ein Jahr der Qualen.

Der Vize-Kapitän fand - körperlich und mental angeschlagen - bei der EM nicht zu jener Form, die ihn bei der WM 2010 zum Chef gemacht hatte. Selbst Lahm patzte gegen Italien. Gomez erzielte drei Tore - ein Trost war das nicht: „Das ist vollkommen egal. Ich wäre gerne Europameister geworden“, kommentierte der Angreifer enttäuscht. „Die Erwartung war höher. Wir wollten nicht ins Finale, wir wollten das Turnier gewinnen. Es schmerzt“, bemerkte der noch junge Badstuber.

Im dreiwöchigen Urlaub - die Münchner Kollegen starten schon Dienstag wieder in die Vorbereitung - wird es viel zu verarbeiten geben für die ausgelaugte und deprimierte Bayern-Fraktion. Torhüter Manuel Neuer, der auf ein erstes Achterbahn-Jahr in München zurückblickt, will sich erst einmal zurückziehen und das Erlebte verarbeiten, „indem ich mich jetzt nicht mit Fußball beschäftige, sondern erst einmal versuche, zur Ruhe zu kommen“.

Der Älteste, der 28 Jahre alte Kapitän Lahm, zeigte sich als knallharter Realist. „Man gewinnt mal, man verliert mal. Aber jetzt haben wir ein paar Wochen Urlaub. Jetzt heißt es, wieder den Akku aufzuladen, zu regenerieren. Und dann geht alles wieder von vorne los. Dann werden wir wieder hart arbeiten für den nächsten Erfolg.“

Lahm mochte selbst nach der vierten geplatzten Titeloption nicht alles schwarz malen - weder für das Nationalteam noch für den Verein. „Wenn ich in die Zukunft schaue, wenn ich an Manuel Neuer denke, was er für ein Torwart ist, wenn ich an Thomas Müller denke, was er für ein Herz hat - dann wird mir nicht angst.“ Der internationale Titel, er bleibt die Endstation Sehnsucht der Generation Lahm: „Wir werden weiter hart daran arbeiten, aber man kann nicht davon ausgehen, dass er irgendwann kommt. Es gibt dafür keine Garantie.“