„Tolle EM“: Bubka zieht Bilanz und kritisiert Boykott
Kiew (dpa) - Das Überwinden von Hindernissen ist die ukrainische Sportlegende Sergej Bubka gewöhnt. Als einer der Chefplaner der Fußball-Europameisterschaft stand der Stabhochsprung-Olympiasieger allerdings vor besonders großen Herausforderungen.
Nach vielen schlaflosen Nächten atmet der 48-Jährige heute auf. „Alles läuft gut“, sagt Bubka im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Kiew. Er zieht vor den letzten drei EM-Spielen eine überaus positive Bilanz. „Die Ukraine macht als Co-Gastgeber der EM einen großartigen Job. Gastfreundschaft war immer ein Teil unserer Kultur.“
Nahezu schwärmend erzählt der Chef des Nationalen Olympischen Komitees der Ex-Sowjetrepublik von seinen Besuchen auch in den drei anderen ukrainischen EM-Spielorten Lwiw, Charkow und Donezk. „Ich war überwältigt von der Atmosphäre: Freude allerorten und eine unglaublich nette Aufnahme.“ In Lwiw hätten zum Beispiel deutsche Fans „Ukraine, Ukraine, Ukraine“ gerufen, und von ukrainischen Fans sei „Deutschland, Deutschland, Deutschland“ zurückgekommen. „Das setzt große Gefühle frei“, berichtet Bubka mit leuchtenden Augen. Kollegen vom Internationalen Olympischen Komitee, die zu Gast gewesen seien, hätten ihm gesagt: „Gratulation, ihr macht das fantastisch.“
Vor der EM hatten viele der Ukraine ein Fiasko prophezeit. Es gab Diskussionen über Rassismus, über die inhaftierte frühere Regierungschefin Julia Timoschenko, über Milliardenausgaben für die EM und das Töten von Straßenhunden. Hier wird Bubka schmallippig. „Vermischen Sie Sport und Politik nicht. Sport sollte Sport sein, und Politik ist eine andere Geschichte“, erklärt der Funktionär. „Sport verbindet Menschen. Sport steht für Fairness, er öffnet Türen.“
Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel das EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Griechenland in Danzig besuchte, während westliche Politiker einen Bogen um Spiele in der Ukraine machen, versucht Bubka demonstrativ sportlich zu nehmen. „Es ist ihre Sache. Ich werde da kein Urteil fällen.“ Einen Seitenhieb kann er sich trotzdem nicht verkneifen. „Wenn wir schon humanitäre Werte im Sport feiern, wenn wir schon einander helfen sollten, dann ziehe ich den Dialog vor und nicht irgendeinen Boykott.“ Für die Probleme der Ukraine wirbt er um Verständnis. „Wir sind ein ziemlicher junger Staat, seit der Unabhängigkeit sind gerade einmal 20 Jahre vergangen.“
Bubka schaut schon viel weiter. „Wir haben durch die EM eine unschätzbar wertvolle Erfahrung gemacht. Und wir sollten sie für die Zukunft nutzen“, unterstreicht er. Die Infrastruktur in Europas zweitgrößtem Flächenstaat sei extrem modernisiert worden. „Ab sofort können wir wegen der neuen Stadien auch in der Leichtathletik Weltmeisterschaften und Europameisterschaften auf höchstem Niveau austragen“, träumt der frühere Weltklasse-Sportler von weiteren internationalen Wettkämpfen. „Mehr als das: Wir denken darüber nach, uns mit den Karpaten um die Olympischen Winterspiele 2022 zu bewerben. Abwarten und schauen, was kommt“, sagt Bubka und lacht.
Immer wieder auftauchende Gerüchte, er strebe das Amt des IOC-Chefs an, kommentiert der Ukrainer nicht. Es habe noch viel Arbeit in seinem jetzigen Amt. Hoch hinaus wollte Bubka aber schon als aktiver Sportler: Zwölf Jahre nach seinem Karriereende hält der sechsmalige Weltmeister mit 6,14 Metern immer noch den Weltrekord.