Ungarn dank deutscher Hilfe wieder da
Gelsenkirchen (dpa) - Als Ungarns Fußballer vor 30 Jahren zum letzten Mal an einem Fußball-Großereignis teilnahmen, waren fast alle Spieler des aktuellen Kaders noch gar nicht geboren.
Der heutige Cheftrainer Bernd Storck hatte als Aktiver gerade mit Borussia Dortmund in der Relegation gegen Fortuna Köln den Abstieg aus der Ersten Liga verhindert, sein Co-Trainer Andreas Möller soeben im Trikot von Eintracht Frankfurt sein Bundesliga-Debüt gefeiert. Bei der WM 1986 in Mexiko war Ungarn letztmals auf der großen Bühne vertreten, nach dem Vorrunden-Aus versank die einst so stolze Fußball-Nation für drei Jahrzehnte komplett in der Versenkung.
Erst mit deutscher Hilfe schaffte der Vize-Weltmeister von 1954, der am Samstag (18.00 Uhr) in Gelsenkirchen auf die DFB-Elf trifft, den Sprung zurück ins Rampenlicht. Zunächst war es der heutige Hertha-Trainer Pal Dardai, der wieder Erfolg brachte. Und als Dardai sich komplett auf die Berliner fokussierte, vollendete Storck die erfolgreiche Aufbauarbeit seines Vorgängers und erreichte in den Playoffs gegen Norwegen die Qualifikation für die EM in Frankreich.
„Sie ist eine große Sensation“, sagte Storck jüngst im Interview des Fußball-Magazins „11 Freunde“ über die EM-Teilnahme. Niemand hatte die Ungarn so richtig auf der Rechnung, doch mit zwei knappen Siegen gegen Norwegen machten die Magyaren ihre erste EM-Teilnahme seit 1972 perfekt. An seine Seite hatte sich Storck für die beiden K.o.-Spiele in Andreas Möller einen weiteren ehemaligen Bundesliga-Profi geholt.
Dank seiner großen Erfolge wie dem Gewinn des EM-Titels 1996 könne Möller das Team allein durch seine „Aura“ und „Ansprache“ motivieren, begründete Storck die Personalie, die in Deutschland für viel Aufsehen gesorgt hatte.
Gemeinsam mit Torwarttrainer Holger Gehrke bereiten Storck und Möller das Team nun schon seit Mitte Mai auf die EM vor, wo in der Gruppe F Portugal, Island und Auftaktgegner Österreich die Kontrahenten um das Erreichen des Achtelfinales sind. Das deutsche Trainer-Trio hat bewusst eine so lange Vorbereitungszeit gewählt, schließlich gilt es nach Jahren der Tristesse viel aufzuarbeiten. „Wir sind der große Underdog“, sagte Möller.
Der Test gegen Deutschland kommt für Storck genau richtig. „Schwerer kann es bei der Euro auch nicht werden“, sagte er am Freitag. „Deutschland wird uns alles abverlangen. Das ist ein hervorragender Test für alle von uns, um zu sehen, was wir noch zu tun haben, um optimal auf das erste Spiel gegen Österreich vorbereitet zu sein.“ Völlig chancenlos sieht Storck sein Team nicht. „Ich glaube schon, dass wir Deutschland Paroli bieten können.“
Der Großteil des Kaders ist aber noch in der heimischen Liga aktiv, deren Niveau in den meisten Fällen sehr bescheiden ist. So richtig professionell geht es eigentlich nur bei Ferencvaros Budapest zu, wo in Thomas Doll ein weiterer deutscher Trainer in der gerade abgelaufenen Saison das Double gewonnen hat.
Und auch drei Hoffnungsträger für das Turnier in Frankreich sind den deutschen Fußball-Fans gut bekannt. Allen voran Torwart Gabor Kiraly, der mit seiner Schlabber-Turnhose jahrelang in der Bundesliga im Tor stand und nun mit 40 Jahren sein EM-Debüt feiert.
Für spielerische Elemente soll Laszlo Kleinheisler sorgen. Bei Werder Bremen saß der 22 Jahre alte Mittelfeldspieler zwar meist nur auf der Bank, Storck hält aber große Stücke auf ihn. Mit seinem Tor beim Länderspiel-Debüt in Norwegen hatte Kleinheisler großen Anteil an der EM-Qualifikation. Und im Angriff soll Adam Szalai von Hannover 96 für die nötigen Treffer sorgen, die ihm zuletzt in der Bundesliga nicht gelungen sind. „Wir wollen uns gut verkaufen“, sagte Möller über das Ziel für die EM, das auch für die Generalprobe gegen Deutschland gilt. „Wir gehen in jedes Spiel, um es zu gewinnen“, sagte Szalai.