„Unser einziger Weltklassespieler“: Schlossherr Ibrahimovic
Pornichet (dpa) - Ein Star wie Zlatan Ibrahimovic residiert in Frankreich in einem Schloss. Der exzentrische und zum Größenwahn neigende Kapitän der schwedischen Nationalelf logiert mit seiner Gefolgschaft im Château des Tourelles im Städtchen Pornichet.
Die Fußball-EM in Frankreich dürfte das letzte große Turnier für diesen schillernden Ausnahmespieler werden, der die vergangenen vier Spielzeiten bei Paris St. Germain aktiv war und seinen Abschied wie gewohnt wenig bescheiden titulierte. „Ich kam als König und ging als Legende“, verkündete Ibrahimovic.
Die Schweden sind von ihrem Anführer abhängig. Brilliert Ibrahimovic, können auch seine größtenteils weitaus weniger talentierten Nebenleute bei dieser EM etwas erreichen. Irland, Italien und Belgien sind die ganz dicken Brocken in Gruppe E. Schon das Erreichen der K.o.-Phase wäre ein riesiger Erfolg für den Halbfinalisten von 1992. „Zlatan ist unser einziger Weltklassespieler“, sagte Nationaltrainer Erik Hamrén. „Wenn wir weiterkommen wollen, brauchen wir ihn in Topform und eine Mannschaft, die dreimal 100 Prozent gibt.“
Ibrahimovic ist in Topform. In 51 Pflichtspielen für PSG traf er in der vergangenen Saison 50 Mal. Schweden schoss er in der Qualifikation mit elf Toren fast im Alleingang zur EM. Nur Polens Robert Lewandowski war mit 13 Toren erfolgreicher. Treffer alleine sind aber nicht mehr der Maßstab für Ibrahimovic. „Wenn ich auf dem Platz bin, versuche ich, Freude, Liebe, Energie, Adrenalin und Motivation zu teilen. Ich demonstriere das alles und will andere damit erreichen“, betonte der Vater zweier Kinder.
Nach seiner Ansicht könnten die Schweden für eine Überraschung sorgen. Es könne „alles passieren“, sagte Ibrahimovic dem schwedischen TV-Sender SVT. „Wenn man nur auf die Gruppe schaut, rechnet man aber nicht mit unserem Weiterkommen.“ Ibrahimovic verwies auf die EM-Playoffs im Herbst 2015, als er seine Mannschaft mit zwei Toren im Rückspiel gegen die eigentlich favorisierten Dänen nach Frankreich schoss. „Wir sind jetzt bei der EM und sie müssen uns zuschauen“, sagte der Angreifer. „Du solltest nie etwas als selbstverständlich hinnehmen, alles kann passieren.“
Ibrahimovic ist mit 62 Toren in 113 Länderspielen Rekordschütze seines Landes. Auf Stationen wie Ajax Amsterdam, Juventus Turin, FC Barcelona oder AC Mailand hat er immer getroffen. Nun steht ein Engagement beim englischen Rekordmeister Manchester United bevor. Doch sein Weg in Europas fußballerische „Bel Étage“ war weit.
Ibrahimovic, Sohn einer kroatischen Mutter und eines bosnischen Vaters, wuchs in Rosengard im Problemviertel von Malmö auf. Die Ehe seiner Eltern zerbrach, als er zwei Jahre alt war. Harmonie in der Familie kannte er nicht. Ibrahimovic musste früh lernen, sich zu behaupten. Dazu gehörte auch Diebstahl.
„Wenn wir etwas gebraucht haben, sind wir in den Laden gegangen und haben es geklaut“, schrieb er in seiner Biografie „Ich bin Zlatan Ibrahimovic - Meine Geschichte“, die man in der Rückschau auch als Beispiel gelungener Integration lesen kann.
Sein 2013 erschienenes Buch, eine eigene Modelinie - „Super Zlatan“ oder „Ibrakadabra“, wie er schon mal vom Boulevard tituliert wurde, ist ein cleverer PR-Mann in eigener Sache. Im Herbst seiner Karriere beginnt er, sich als Marke zu verkaufen.
Dass ihn viele Leute für arrogant halten, kann Ibrahimovic schwer nachvollziehen. Er sieht sich sogar als durchaus pflegeleichten Typen. „Die Leute sagen, ich wäre eingebildet, ein schlechter Charakter. Das sagen die Leute, seitdem ich jung bin“, erzählte Ibrahimovic einmal. „Aber wenn sie mich dann treffen, sagen sie: 'Dieses Image passt ja gar nicht zu dir.' Wo ich herkomme, da urteilt man nie über jemanden, bis du ihn nicht auch wirklich getroffen hast. Ich würde das nie tun.“
Ibrahimovic hat Einfluss. Der schwedische Sprachrat nahm 2012 das Verb „zlatanera“ (alles dominieren) in seine Liste neuer Wörter auf, in Frankreich raunen sich Ibrahimovic-Fans schon mal das Wort „zlataner“ zu, das man zum Beispiel als „niedermachen“ übersetzen könnte. Innerhalb der Nationalmannschaft ist er die unumstrittene Respektsperson. Nach einem vorübergehenden Rücktritt ist er seit seiner Rückkehr 2010 ihr Kapitän. „Das war die beste Entscheidung in meinen 30 Jahren als Fußballtrainer“, sagte Hamrén.
Ibrahimovic weiß, dass sich auch im schwedischen EM-Auftaktspiel am Montag (18.00 Uhr) gegen Irland in seiner langjährigen Zweitheimat Paris alles um ihn drehen wird. Auf ihn kommt es an. „Er ist unser bester Spieler, unser Kapitän, unser Anführer“, sagte der Hamburger Albin Ekdal. „Er wird ganz wichtig sein für ein gutes Turnier.“