Die Null steht bei Startexperte Neuer
Évian-les Bains (dpa) - Ob Kapitän oder nicht, Zu-Null-Experte Manuel Neuer will seine bemerkenswerte Startserie auf jeden Fall fortsetzen. Seit dem Aufstieg zur Nummer 1 im deutschen Tor hat der mehrmalige Welttorhüter zum Turnierauftakt noch nie hinter sich greifen müssen.
Dem 4:0 gegen Australien (WM 2010), dem 1:0 gegen Portugal (EM 2012) und dem 4:0 wieder gegen Portugal (WM 2014) soll beim Europameisterschafts-Ernstfall des Titelfavoriten aus Deutschland gegen die Ukraine ein weiterer Sieg ohne Gegentreffer folgen.
„Wir freuen uns darauf, dass es jetzt endlich los geht“, sagte der sehr fokussiert wirkende Neuer schon lange vor dem Anpfiff am Sonntag. Bei der Übungseinheit am Donnerstag stand für ihn viel Reaktionstraining mit Torwartcoach Andreas Köpke an. Neuer hat in dieser Turniervorbereitung so viel trainiert, wie lange nicht mehr vor einem Turnier. 2012 reiste er später zur DFB-Elf wegen des Champions-League-Finales mit dem FC Bayern gegen den FC Chelsea an. 2014 musste er nach einer Schulterverletzung sogar um seine Fitness zum Turnierstart bangen.
„Von den Abläufen ist es ein bisschen anders, als wenn man mit einer Verletzung in das Turnier geht. Jetzt konnte ich die ganze Vorbereitung mitmachen“, sagte Neuer. Vor der WM 2010 in Südafrika war er nach der Verletzung von René Adler zur Nummer 1 aufgestiegen. „Natürlich wächst die Erfahrung, wenn ich in mein viertes Turnier gehe“, sagte der inzwischen 30-Jährige.
Neuer zählt nicht erst seit dem WM-Triumph vor zwei Jahren zu den großen Stützen der Nationalmannschaft. Viel bestaunte Leistungen als Libero-Torwart und Titan auf der Linie führten die deutsche Auswahl nicht nur in Brasilien zum Titel. Sie brachten dem Torhüter selbst bei der Kür des Weltfußballers auch Platz drei hinter Cristiano Ronaldo und Lionel Messi ein. Neuers Ansehen und Einfluss sind immer weiter gestiegen. Bundestrainer Joachim Löw verwies in Évian-les-Bains auf den „starken Spielerrat“ und eine „Achse“. Neuer zählt zu beidem.
Auch der Torhüter gehöre zu den Spielern, die sich besonders in den Monaten nach der WM noch einmal „hervorragend entwickelt“ hätten, hob Löw hervor. Nicht nur die Leistungen des Welttorhüters sind top, auch die statistischen Werte: In 64 Länderspielen kassierte Neuer nur 59 Gegentore, macht 0,92 pro Partie. 48 Siege stehen in der Bilanz des bis 2021 an den FC Bayern gebundenen Keepers. Sieg Nummer 50 könnte also schon am 16. Juni im zweiten Gruppenspiel gegen Polens Auswahl um Neuers Münchner Kollegen Robert Lewandowski folgen.
Erst einmal hat er aber die Ukraine im Kopf. Siebenmal führte Neuer die deutsche Elf bislang als Kapitän auf das Feld, dreimal häufiger als Mitbewerber Sami Khedira. Löw hat noch nicht verraten, wer anstelle des wohl nicht topfitten Bastian Schweinsteiger Kapitän sein wird. „Für uns spielt es keine große Rolle, wer am Ende die Binde tragen wird. Für mich als Torwart ist klar, dass ich Verantwortung übernehmen muss“, sagte Neuer mit Blick auf das Ziel EM-Titel.
Ein Ziel der EM 2012, als Deutschland im Halbfinale gegen Italien scheiterte, hat Neuer aufgegeben: Gitarre zu spielen. „Es hat kein Glück gebracht, wir sind gegen Italien ausgeschieden, da habe ich das mit dem Gitarrespielen wieder sein lassen“, scherzte Neuer und entlarvte gleich seine Ausrede. „Wenn man nicht tagtäglich übt, macht man keine Fortschritte. Ich bin nicht drangeblieben, und irgendwann habe ich es dann ganz sein lassen. Schade eigentlich.“