Vier aus Fünf: Löws geheime Offensivauslese

Évian-les Bains (dpa) - Joachim Löws „Geheimplan Ukraine“ ist in Arbeit. Abgeschirmt vor neugierigen Blicken der Öffentlichkeit und möglicher Spione des ersten Gegners tüftelt der Bundestrainer in Évian-les-Bains mit seinem Turnierpersonal an seinem Roten Faden für einen erfolgreichen EM-Auftakt.

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Der Bundestrainer hat den Fokus ganz auf die erste Aufgabe ausgerichtet, seine Spieler warten voller Ungeduld auf die Umsetzung und ihren EM-Anpfiff am Sonntagabend (21.00 Uhr) im Stade Pierre Mauroy von Lille. „Wir können es kaum erwarten, auf dem Platz zu stehen“, sagte Torwart Manuel Neuer am Donnerstag im DFB-Quartier am Genfer See. Die Zeit schleiche dahin.

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Neuer meinte das EM-Stadion und nicht den Trainingsplatz, auf dem Löw die taktischen Kniffe einstudieren lässt und die letzten Personalien klären muss. Seit Donnerstag ist der 23-Mann-Kader mit der Ankunft des Nachrückers Jonathan Tah am Genfer See endlich komplett. „Die letzten Tage stehen im Zeichen der Vorbereitung auf die Ukraine“, betonte Löw. Der Schwerpunkt in den Übungseinheiten liege darauf, neben der notwendigen körperlichen Frische passende Offensivlösungen gegen das von ihm erwartete ukrainische Abwehrbollwerk zu erarbeiten.

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„Wenn wir unsere Stärken einbringen, dann werden wir sicherlich ein gutes Spiel machen und einen erfolgreichen Auftakt haben“, glaubt der Bundestrainer. Die Spielidee wird final eingeschliffen. „Das soll sich wie ein Roter Faden durchziehen“, sagte Löw zur Zielsetzung.

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Der Weltmeistercoach gilt als Masterplaner des ersten Turnierspiels. Vier Championate, vier Auftaktsiege, 11:0 Tore. EM 2008: 2:0 gegen Polen. WM 2010: 4:0 gegen Australien. EM 2012: 1:0 gegen Portugal. WM 2014: 4:0 gegen Portugal. Taktik, Personal, Tagesform - alle Faktoren hat der Bundestrainer in der Vergangenheit auf den Punkt hingebracht.

Vor seiner schon dritten EM als Chef muss Löw nach dem Kreuzbandriss von Antonio Rüdiger zwar in der Abwehrzentrale eine kurzfristige Umbesetzung vornehmen (wahrscheinlich mit Shkodran Mustafi). Aber entscheidender dürfte der Erfolg des ausgetüftelten Offensivplans sein. Löw erwartet eine extrem defensiv eingestellte Ukraine-Elf.

Vier aus Fünf lautet dabei die Personalfrage, verkürzt sogar Julian Draxler oder Mario Gomez? Drei Positionen für die vordersten Linien sind vergeben an Thomas Müller, Mesut Özil - und auch Mario Götze. „Ich habe Mario sehr positiv gesehen in der Vorbereitung“, sagte Löw in Évian. Vom Einsatzgebiet des WM-Finaltorschützen hängt maßgeblich die Startposition von Gomez und Draxler ab. Die Vorzeichen und Aussagen deuten auf Götze als „falsche Neun“ hin, was bedeuten würde: Gomez startet in sein drittes EM-Turnier als Joker und Draxler besetzt den linken Flügel.

„Ich habe mich an die Außenposition gewöhnt“, bemerkte Draxler. Das Zusammenspiel mit Jonas Hector, der es als einziger Turnierneuling in die EM-Startelf schaffen dürfte, auf dem linken Flügel klappt immer besser. „Wir nutzen die Trainingseinheiten, um uns offensiv und defensiv abzustimmen. Das hat die letzten zwei Wochen schon gut funktioniert“, berichtete der Kölner Hector und erwähnte als gutes Beispiel das Zusammenspiel mit Draxler beim 1:0 im Test gegen Ungarn.

Auch Gomez, der WM-Zuschauer von 2014, konnte sich als Torschütze beim 1:3 gegen die Slowakei und Torvorbereiter für Müller nach seiner Einwechslung beim 2:0 gegen Ungarn aufdrängen. „Ich fühle mich so gut wie nie in meiner Karriere“, erklärte der 30-Jährige, der bei der EM 2012 mit drei Treffern erfolgreichster DFB-Schütze war. „Im Endeffekt wird der Bundestrainer entscheiden, was das Beste für die Mannschaft ist“, äußerte Draxler zur Offensivbesetzung zum EM-Auftakt.

Gegen eine sehr kompakte Defensive erwartet Löw wenig Platz im und um den Strafraum herum. Das spricht für Götze vorne drin. „Mario kann sich in engen Räumen befreien“, sagte Löw. Der 24-Jährige ist als feiner Techniker für Özil, Müller und den Eins-gegen-Eins-Gänger Draxler ein idealer Kombinationsspieler. Gomez dagegen verheißt vor allem körperliche Wucht und Abschlussgefahr im Strafraum. „Mario ist ein Stürmer der letzten Aktion. Wenn man ihn einsetzt im Strafraum, ist er gefährlich“, sagte Löw über den klassischen Torjäger.

Egal, wie die letzten Personalentscheidungen des Bundestrainers ausfallen werden, das Weltmeister-Ensemble sehnt den Ernstfall im Wettkampf herbei. „Die Vorbereitungszeit brauchen wir natürlich, aber das Schöne sind die Spiele“, sagte Nationaltorhüter Neuer.