0:0 am „Gänsehaut“-Abend: FCA träumt von Anfield-Coup
Augsburg (dpa) - Jürgen Klopp verabschiedete sich mit einer typischen Pressekonferenz samt Witzen, Frotzeleien und Sticheleien auf die Insel. In Augsburg könnte die Stimmung nach dem Europa-Abenteuer gegen den FC Liverpool derweil tatsächlich kaum besser sein.
Das 0:0 im Hinspiel gibt dem Außenseiter aus der Fußball-Bundesliga nicht nur Mut für die unglamouröse, aber umso wichtigere Aufgabe am Sonntag gegen Hannover 96. Die Traumreise an die Anfield Road könnte nun sogar mit einer Sensation enden. „Uns reicht ein 1:1“, erinnerte Markus Weinzierl an die Europacup-Arithmetik, aus der die Schwaben die Hoffnung auf den großen Coup ziehen. „Wir haben alle Chancen.“
Klopps Liverpool hat mehr zu verlieren, auch wenn der Coach am späten Donnerstagabend mit Brezn im Mund und aufgeheitert von kleinen Dolmetscher-Holperern von einem „Top-Ergebnis“ sprach. Dass es „nicht mein Traum-Ergebnis“ ist, schob er sicherheitshalber hinterher.
Dem großen Hype um die Deutschland-Rückkehr des früheren Dortmunder Kulttrainers entsprach die Qualität der Partie vor 25 000 Zuschauern nicht, spannend war sie aber allemal. Alexander Esswein kurz vor der Pause und Dong-Won Ji im Finish hatten den Augsburger Sieg auf dem Fuß. Der einstige Bundesliga-Profi Roberto Firmino hätte für den 18-maligen englischen Meister aber auch schon früh treffen können.
„Wir haben uns eine sehr gute Ausgangsposition für die nächste Woche erarbeitet, um in Liverpool eine Sensation zu schaffen“, meinte Weinzierl und wertete das 0:0 als „gefährliches Ergebnis“ für die Gäste von der Insel. „Wir haben sicher nicht den Druck jetzt in Liverpool“, ergänzte der wieder sichere FCA-Torhüter Marvin Hitz.
Etliche Augsburger Protagonisten berichteten von „Gänsehaut“ an dem denkwürdigen Europapokal-Abend - und die Reise an die legendäre Anfield Road in der nächsten Woche steht ja noch bevor. „Man muss nur die Bilder im Internet anschauen, da freut sich jedes Kind, da mal zu spielen“, schwärmte der defensive Mittelfeldspieler Markus Feulner.
Ein Augsburger konnte sich nicht richtig freuen: Torjäger Raul Bobadilla droht wegen einer Muskelverletzung auszufallen. Ausgerechnet der Erfolgsgarant könnte in Liverpool fehlen. „Das ist unheimlich schade und bitter“, sagte Trainer Weinzierl zur Blessur des Paraguayers, die der sich früh in der Partie zugezogen hatte. Wie lange Bobadilla passen muss, war zunächst noch nicht klar.
Nicht nur im Hinblick auf Liverpool schmerzt die Nachricht, schon am Sonntag (17.30 Uhr) steht bei Hannover 96 die nächste Liga-Partie an. Angesichts des Abstiegskampfes ist der Trip in die Fußball-Provinz sogar wichtiger als die folgende Reise zum Welt-Verein Liverpool.
„Jetzt kommt erstmal die Pflichtaufgabe“, betonte Tobias Werner, „ein brutal anstrengendes und wichtiges Spiel in Hannover“. Mit nur einem Punkt Vorsprung auf den Relegationsrang sind die Sorgen der Schwaben in der Liga derzeit ungleich größer als im Europapokal. „Jeder weiß, um was es am Sonntag geht“, unterstrich Weinzierl. Er selbst hatte Hannover ohnehin im Hinterkopf: Dass er etwa Werner und Halil Altintop weitgehend ohne Spielpraxis in die Startelf gegen Liverpool berief, dürfte auch der nötigen Rotation geschuldet gewesen sein.
Im Gegensatz zu Weinzierl darf sich Klopp über den Luxus eines freien Wochenendes freuen, er kann seine Schützlinge in Ruhe auf das Rückspiel einstellen. Verbesserungspotenzial sah der Coach am Donnerstag genug, die Chancenverwertung oder die Konzentration in der Offensive etwa missfielen ihm. „Wir müssen mit mehr Tempo spielen. Die Jungs können das viel besser und das sollten sie auch zeigen“, forderte er. „Wir müssen öfter das Level abrufen, das wir können.“
Er selbst kann übrigens sein Unterhaltungstalent mit Ansätzen von Überheblichkeit immer wieder problemlos abrufen. Am Donnerstagabend unterhielt er die Reporter vor allem mit Seitenhieben in Richtung Englisch-Übersetzer, ehe er sich an seiner Brezn kauend auf den Weg Richtung Liverpool aufmachte.