Expedition Poltawa: 96-Reise mit Koch und Lotse
Poltawa (dpa) - Der eigene Koch war schon vorausgereist, der Lotse stieg in Charkow in den kleinen Charter-Flieger: Das erste Auswärtsspiel von Hannover 96 in der Gruppenphase der Europa League gleicht eher einer Expedition.
Die Reise zu dem weitgehend unbekannten Club Worskla Poltawa aus der ukrainischen Provinz erforderte vom Fußball-Bundesligisten eine ungewöhnliche Vorbereitung und die Landung auf einem alten Militärflughafen. Dieser darf nur mit einem einheimischen Experten angeflogen werden.
„Das ist schon ein bisschen speziell“, sagte Manager Jörg Schmadtke: „Das ist das Ungewöhnlichste, was ich in meiner Karriere bisher erlebt habe.“ Sogar eigene Nahrungsmittel packten die Hannoveraner in ihr 40-Mann-Flugzeug, um für das zweite Gruppenspiel der Europa League vorbereitet zu sein. „Wir können es uns nicht leisten, dass Spieler mit Magenproblemen ausfallen“, meinte Stürmer Jan Schlaudraff.
Allerdings erfuhr der Club, „dass es nicht so einfach ist mit der Einfuhr von Lebensmitteln“, wie Schmadtke erklärte. Fleisch darf nicht importiert werden. Der erstmals mitgereiste 96-Koch Christoph Rau hat eigens einen Dolmetscher zur Seite bekommen. „Wir gehen auf Nummer sicher“, sagte Trainer Mirko Slomka: „Die Anreise verlief problemlos, alles wurde gut und professionell vorbereitet.“
„Es ist ein Abenteuer, aber wir wollen drei Punkte holen“, kommentierte Mittelfeldrenner Sergio Pinto die Reise ins Unbekannte. Ersetzen muss 96 allerdings Torjäger Didier Ya Konan, der verletzt daheim blieb. „Sein Ausfall ist für Didier und die Mannschaft sehr bitter, weil er für uns einfach ein wichtiger Spieler ist“, meinte Slomka. Ob Mohammed Abdellaoue spielen kann, entscheidet sich erst am Spieltag: „Ich habe noch nicht entschieden, ob er von Beginn an aufläuft.“ Möglich ist auch, dass Jan Schlaudraff als einzige Spitze oder der Pole Artur Sobiech als zweiter Stürmer spielt.
„So wie die Bayern zurzeit spielen, muss man das angehen“, forderte Sergio Pinto. Der angestrebte Sieg steht natürlich für die Profis im Mittelpunkt, aber der besondere Reiz dieses Trips ist auch den Spielern klar. Eine solche Reise gehöre zu den „schönen Momenten der Europa League“, sagte Schlaudraff: „Wann kommt der Normalmensch schon mal nach Poltawa?“
Vor 16 Uhr musste die Delegation aus Hannover landen, denn die kurze Piste in der Provinzstadt ist nicht beleuchtet. „Der Flughafen ist international nicht anerkannt“, erklärte 96-Pressesprecher Alex Jacob. Die Einreise-Formalitäten mussten schon beim Zwischenstopp in der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkow erledigt werden.
Poltawas Trainer Nikolai Pawlow hat großen Respekt vor den 96ern. „Wir haben viele Informationen über sie gesammelt, aber das wird unser bislang stärkster Gegner“, sagte er. „Ich hoffe, dass sie nicht so stark hierherkommen, sonst wird es sehr schwierig für uns.“
Sportlich wisse „jeder, was auf ihn zukommt und gegen wen er spielen muss“, sagte Schmadtke. Poltawa wurde in der einheimischen Liga und im Europa-League-Spiel in Kopenhagen (0:1) von 96-Mitarbeitern beobachtet. Jeder Spieler hat eine DVD erhalten, um sich vorzubereiten. „Wir kennen sie jetzt einigermaßen“, berichtete der Manager.
„Natürlich ist Poltawa der unbekannteste Gegner“, sagte Schlaudraff, dessen Team im ersten Gruppenspiel gegen Standard Lüttich ein 0:0 erreicht hatte. Der Stürmer hat aber einigen Respekt vor den Ukrainern: „Sie haben mit wenig Mitteln viel erreicht.“ Zur sportlichen Situation des eigenen Clubs sagte er: „Es ist wichtig, dass wir nicht verlieren. Wir wollen in die nächste Runde, aber es ist eine sehr ausgeglichene Gruppe. Es muss alles passen, um weiterzukommen.“