Fanprojekt-Leiter Dirk Bierholz: „Gewalt droht fast immer“
Düsseldorfs Fanprojekt-Leiter Dirk Bierholz wünscht sich einen differenzierten Umgang mit möglichen Zwischenfällen.
Düsseldorf. Platzsturm im Berliner Olympiastadion, Proteste gegen TV-Sender, Stehplatz-Diskussion - die Fußballfans in ganz Deutschland sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Wie es um die Anhänger von Fußball-Zweitligist Fortuna Düsseldorf bestellt ist, weiß Fanprojekt-Leiter Dirk Bierholz und gibt im WZ-Interview einen Einblick in die Fan-Seele(n).
WZ: Herr Bierholz, was ging in Ihnen vor, als Sie kürzlich die Bilder von den Chaoten im Berliner Olympiastadion gesehen haben, die den Platz stürmten?
Bierholz: So etwas hat im Fußball nichts zu suchen, da muss man nicht lange drüber nachdenken. Allerdings war es als langjähriger Fanprojekt-Leiter auch nichts Neues für mich, nur die Qualität der Gewalt war sicher eine andere. Auch in der Gesellschaft steigt die Bereitschaft dazu, und deshalb wird es auch im Fußball immer wieder passieren, weil es für viele Menschen ein Ventil ist. Wichtig ist doch, das man sich professioneller damit auseinandersetzt, die Umstände genau differenziert, um herauszufinden was tatsächlich passiert ist und damit es nicht mehr passiert.
WZ: Wie groß ist die Gefahr, dass so etwas in Düsseldorf geschieht?
Bierholz: Gewalt droht fast immer bei allen Klubs. Da kann die Polizei noch so gut aufgestellt sein, der Ordnungsdienst, der Verein, aber auch die Fan-Organisation. In Berlin war der Frust groß durch die sportliche Situation, und es war nicht nur eine bestimmte Fangruppe, sondern verschiedene, die da ausgerastet sind. Eine Ursache ist sicher, dass sich die Vereine von der eigenen Anhängerschaft immer weiter entfernen, sich lieber um Sponsoren und gehobenere Klientel bemühen. Das war vielleicht auch eine Art Hilfeschrei der Fans.
WZ: Wie passt der Flaschenwurf des Hamburger Spielers Paulo Guerrero gegen ein Fan in das Bild?
Bierholz: Das war sicherlich eine Einzelaktion. Aber auch das geht gar nicht, das spitzt die Sache natürlich noch zu. In Düsseldorf versuchen wir im Umfeld besonders, Verein und Fans zusammenzuhalten auf verschiedenen Ebenen. Sei es durch Besuche von Spielern oder anderen Aktionen.
WZ: Diese Vorfälle bringen immer wieder die Diskussion um Sinn und Unsinn von Stehplätzen in Gang.
Bierholz: In der Arena wird es ab diesem Sommer welche geben, da haben die Fans lange für gekämpft. Dass dies in Gefahr ist, denke ich nicht. Das beste Beispiel war ja Berlin - das ist ein WM-Stadion, nur mit Sitzplätzen. Ganz Europa bewundert Deutschland für die vollen Stadion, die Stimmung und die Fanszenen. Das ist einzigartig. Anderswo geht es gewaltmäßig sehr viel mehr ab.
WZ: Was erwartet denn die Düsseldorfer Fanszene Positives davon?
Bierholz: Eine noch bessere Stimmung und viel mehr Bewegungsfreiheit. Die wollen tanzen, die wollen hüpfen, die wollen singen. Außerdem steigt die Kapazität, und aus sozialer Sicht schafft man ein Angebot für Jugendliche, das preislich entsprechend gestaltet werden kann. Man muss es sich auch mit schmalem Budget leisten können, das ist wichtig.
WZ: Wie hat sich denn die derzeit herrschende Euphorie auf die Fortuna-Fans ausgewirkt?
Bierholz: Generell ist es ein Wahnsinn. Hätte man mich vor anderthalb Jahren gefragt, hätte ich keinen Euro auf die Fortuna gesetzt. Der Aufstieg war wichtig, es gibt einen enormen Zulauf von neuen, aber auch alten Fans. Die Herausforderung ist, dass in die nächste Saison zu retten.
WZ: Wie zerbrechlich ist das denn?
Bierholz: Düsseldorf hat sicherlich ein gutes Potenzial, und ich glaube, dass bei einer sportlichen Etablierung ein gesunder Zuschauerschnitt gehalten wird. Das Stammpublikum liegt sicher bei 20 000 Fans, und das ist für diese Stadt schon enorm. Die Fortuna muss natürlich aufpassen, sportlich kann es schnell passieren, dass es gegen den Abstieg geht, die Leute pfeifen und dann auch mal wegbleiben.
WZ: Beim Heimspiel gegen St. Pauli griffen die Fans per Plakaten die TV-Sender an, dass sie den Sport "kaputt machten". Dabei war das Stadion fast ausverkauft.
Bierholz: Da treffen die aktive Fanszene und die neu dazugekommenen Fans aufeinander. Natürlich wollen alle ein volles Stadion haben. Aber durch die unsinnigen Anstoßzeiten seit anderthalb Jahren lassen sich beispielsweise die Freitagsspiele in der 2. Liga für Auswärtsfans kaum mehr organisieren. Da wird dann die Schule geschwänzt, oder es muss Urlaub genommen werden. Der Verein kriegt dafür Geld, was dem Fan hinsichtlich neuer und besserer Spieler recht ist. Anderseits ist kaum mehr was planbar, weil die Termine nur noch kurzfristig festgelegt werden, teilweise erst vier Wochen vorher.