Aus den eigenen Reihen Fortuna Düsseldorf: Tim Oberdorf ist gefragter denn je
Düsseldorf · Beim 4:1 gegen Bielefeld erzielte Tim Oberdorf seinen ersten Pflichtspieltreffer. Nicht nur deshalb schätzt ihn Trainer Daniel Thioune sehr – und nach Jordy de Wijs‘ schwerer Verletzung ist der Abwehrspieler gefragter denn je.
Ein wenig kann man schon aus der Reaktion der Teamkollegen ablesen, wenn ein Spieler einen Treffer erzielt. Sicher, gejubelt wird immer – schließlich ist jedes Tor wichtig für die gesamte Mannschaft. Und ein Siegtreffer in der Nachspielzeit sorgt natürlich für mehr Euphorie als ein 6:0. Doch wenn ein Tor nicht mehr so hundertprozentig entscheidend ist, aber dennoch fast die gesamte Mannschaft herangestürmt kommt und jeder den Schützen an seine Brust drücken möchte – dann sagt das schon etwas über den Beliebtheitsgrad des Betreffenden aus.
Emmanuel Iyohas 3:1 gegen Rostock war so ein Beispiel, als die Fortunen inklusive Trainer Daniel Thioune vor Freude förmlich eskalierten, weil sie dem leidgeprüften Stürmer den Erfolg so sehr gegönnt hatten. Dieses 3:1 war für den Spielverlauf allerdings bedeutungsvoller als der Einschlag zum 4:1 am vorigen Samstag gegen Bielefeld, als schon zuvor nahezu alle Messen gelesen waren.
Und doch versammelten sich wieder fast alle Fortunen zu einem Pulk mit dem Schützen in der Mitte: Tim Oberdorf. Der Innenverteidiger, nach einer Stunde für den verletzt ausgeschiedenen Jordy de Wijs eingewechselt, hatte in der 76. Minute nach einem Eckball von Jorrit Hendrix seine Kopfballchance entschlossen genutzt. Es war sein erstes Pflichtspieltor als Profi der Fortuna – ein ganz besonderer Moment.
Innenverteidiger de Wijs
wird länger ausfallen
In den kommenden Wochen, beginnend mit der Partie am Samstag in Darmstadt (13 Uhr), könnte es durchaus mehr davon geben, denn der immer schon wegen seiner Vielseitigkeit hochgeschätzte Oberdorf ist aktuell gefragter denn je. Hintergrund ist die Diagnose bei de Wijs: doppelter Rippenbruch, dazu Muskelriss und starke Prellung im Hüft- und Beckenbereich. Mit großer Sicherheit wird der Niederländer in diesem Kalenderjahr kein Pflichtspiel mehr absolvieren können. Da auch der weitere Genesungsverlauf bei Kapitän Andre Hoffmann (anhaltende Muskelprobleme) sehr ungewiss ist, muss Trainer Daniel Thioune auf die vermeintliche Zweitbesetzung der Innenverteidigung mit Christoph Klarer und eben Oberdorf bauen.
Magenschmerzen bereitet dem Coach das nicht. „Ich tu mich schwer mit dem Begriff Zweitbesetzung“, erklärt Thioune. „Ich sage, das ist mein ,Rest of the Best‘. So weit geht die Schere in unserem Kader gar nicht auseinander. Chris Klarer war in der Vorbereitung so stark, dass er sich für die ersten Spiele die Startelf redlich verdient hatte. Und Tim Oberdorf kam allein deshalb nicht für die Innenverteidigung in Frage, weil ich ihn seinerzeit wegen der Verletzung von Matthias Zimmermann als Rechtsverteidiger brauchte. Chris und Tim sind nicht besser, aber auch nicht schlechter als die anderen Jungs.“
Oberdorf gelang der Sprung
in den Zweitligakader spät
Thioune weiß, dass er zu einhundert Prozent auf Oberdorf bauen kann. Auf gleich mehreren Positionen, denn im Defensivbereich inklusive des zentralen Mittelfelds gibt es keine Position, die er nicht spielen könnte. Und wenn er mal auf der Bank starten muss, weil von ihm zuvor vertretene vermeintliche Stammkräfte aus Verletzungspausen zurückkommen, macht er das klaglos – um sofort wieder voll da zu sein, wenn er wieder gebraucht wird. Wie gegen Bielefeld. „Wenn man eingewechselt wird, dann wünscht man sich das so“, sagte Oberdorf nüchtern. Allzu hochspielen wollte der 26-Jährige sein Tordebüt nicht. „Chris Klarer hatte den Raum frei gezogen, hat Andrés Andrade mit nach vorn genommen, dann kam Jorrits Ball genau auf mich“, kommentierte er, „und von da kann man den dann auch machen.“ Ziemlich genau der Kommentar, den man von Tim Oberdorf erwarten konnte: sachlich, den Kollegen lobend, sich selbst nicht so wichtig nehmend. Charakterzüge, die prägend sind für den Abwehrspieler, der spät in seiner Karriere den Sprung aus der eigenen U 23 in den Zweitligakader schaffte und nie vergessen hat, wo er herkommt.
„Klar wünscht man sich, dass ein Einwechselspieler so einschlägt“, erklärt der Trainer. „Aber das ist auch eine Erwartungshaltung. Am Ende des Tages gibt es ja auch ein bisschen was dafür, dass man hier fußballspielen darf. Tim wird dieser Erwartungshaltung dabei in jeder Form gerecht, immer: egal, ob er spielt oder mal nicht spielt.“ Die Entscheidung für de Wijs sei ihm vor dem jüngsten Heimspiel relativ leicht gefallen, berichtet der Trainer, „weil wir aufgrund des Bielefelder Systems verstärkt über die Innenverteidiger aufbauen wollten, und da brauchte ich einen Linksfuß auf dem Platz“. Nach de Wijs‘ Verletzung habe Oberdorf dann aber das getan, was er eben immer mache. „Auf Tim kann ich mich verlassen. Ich glaube, dass er mal die eine oder andere Herausforderung hatte, etwa in Hamburg, was die Spieleröffnung betrifft. Deswegen hatten wir uns diesmal so entschieden, aber wir wollen unser Spiel mit Einwechslungen immer besser machen. Deshalb freut es uns alle, dass Tim jetzt sein erstes Profitor gemacht hat.“ Und wohl noch mehr darüber, dass der gebürtige Hagener wieder einmal bewiesen hat, dass auf ihn Verlass ist.