Trainer aus Tansania zu Gast bei Fortuna „Düsseldorf ist ein fantastischer Ort, um etwas über Fußball zu lernen“
Düsseldorf · Jackson Tunda sammelt in Deutschland Erfahrungen und will den Fußball in Tansania nachhaltig verändern.
Eigentlich sollte der Arbeitstag von Jackson Tunda im Nachwuchsleistungszentrum von Fortuna erst um 14 Uhr starten. Erschienen ist er häufig aber schon um 12 oder sogar um 10 Uhr, erzählt U15-Trainer Christian Reischke. „Vom ersten Tag an haben wir gemerkt, dass er darauf brennt“, beschreibt er den 26-Jährigen aus Tansania, der bis vergangene Woche als Hospitant in der Jugendabteilung des Zweitligisten unterwegs war. Belohnt wurde Tunda mit der vollen Ladung Fortuna – von der U9 bis hin zu den Profis. Dabei habe er nicht nur an der Seitenlinie zugeschaut, sondern durfte bei der U14 auch als Trainer auf dem Platz stehen und eine Übung anleiten.
Seit sieben Jahren ist Tunda Jugendtrainer bei der Future Stars Academy in Arusha im Nordosten Tansanias. Angefangen hat seine Leidenschaft für den Fußball auf der Straße, mit zwölf Jahren schloss er sich den Future Stars an, die bei ihm in der Nähe waren und bei denen auch seine Freunde spielten. Die Future Stars organisieren immer um Weihnachten herum das größte Jugendfußballturnier Ostafrikas, den East Africa Chipkizi Cup.
„2018 wurde ich zum besten Spieler dieses Turniers gewählt“, erinnert sich Tunda. Er sei von Scouts aus Südafrika und anderen Ländern nach seiner Telefonnummer gefragt worden – doch der Anruf sei nie gekommen. Dann wurde Tunda 20 – und durfte nicht mehr bei den Future Stars mitspielen. Die Akademie hatte jedoch ein anderes Programm: die Junior Coaches. „Also habe ich mich entschieden, Trainer zu werden“, erzählt Tunda.
Von einer Fortuna-Legende initiiert
Beim vergangenen East Africa Chipkizi Cup traf Tunda dann einen Mann, der bei Fortuna als „Legende“ gilt: Robert Begerau. Von 1970 bis 1975 spielte Begerau bei den Düsseldorfern, von 1993 bis 1994 war er Co-Trainer bei Borussia Mönchengladbach. Inzwischen engagiert er sich beim Senior Expert Service im Ausland, besonders in Indien und Afrika. Als er im vergangenen November und Dezember in Tansania in der Future Stars Academy arbeitete, fiel ihm vor allem Tunda auf – „weil er als Trainer ganz anders mit Kindern umgeht als die anderen, nicht mit harter Hand, wie es verbreitet ist“, erinnert sich Begerau.
So leitete er die Hospitation in die Wege – indem er sowohl Fortuna als auch Borussia Mönchengladbach fragte. „Über Klaus Allofs hat uns die Anfrage von Robert Begerau erreicht, ob wir uns das vorstellen können“, sagt Stefan Vollmerhausen, Sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von Fortuna. „Natürlich sind wir dafür offen, machen sowas gerne, wenn es passt, und wollen es dann auch so ermöglichen, dass es einen Mehrwert bietet.“
Auch von den Borussen kam eine Zusage. Geeinigt haben sich die beiden Vereine darauf, Tunda erst drei Wochen lang bei Borussia, dann drei Wochen lang bei Fortuna aufzunehmen. Die Zusammenarbeit mit den Borussen beschreibt Reischke als „sehr angenehm“: Beide Vereine „haben gegenseitig viel Rücksicht genommen, dass wir für Jackson sechs gute Wochen auf die Beine stellen“.
Gelungen ist das offenbar: „Ich hatte eine fantastische Erfahrung“, sagt Tunda. Und fügt hinzu: „Düsseldorf ist ein fantastischer Ort, um etwas über Fußball zu lernen.“ Bei der Sprache habe es zwar einige Schwierigkeiten gegeben – er spricht kein Deutsch, nicht jeder Fortuna-Spieler wiederum gut Englisch. „Aber Fußball ist auch eine Sprache“, betont Tunda. Reischke wiederum sagt, Tunda habe „dieses gewisse Etwas, dieses Gespür für Jugendliche, das Talent, zu den Spielern eine sofortige Bindung aufzubauen“. So habe er dafür gesorgt, „dass die Jungs sich freuen und immer ein Lächeln kriegen“.
Ermöglicht wurde die Hospitation durch die Programmlinie „Team Works“ des Deutsch-Afrikanischen Jugendwerks mit dem Senior Expert Service, bei der es um „Fachkräftebegegnungen für nachhaltige Entwicklung“ beispielsweise in den Bereichen Wirtschaft, Bildung oder eben auch Sport geht. Finanziert wird sie durch das das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
„Es hat mich persönlich total beeindruckt, wie offen Fortuna und Borussia waren – da gab es überhaupt keine Rivalität, sondern es ging nur um den jungen Mann“, sagt Anton Voronin, Projektleiter von „Team Works“. Und nicht nur in Düsseldorf und Mönchengladbach war Tunda zu Gast: „Tunda war mit uns beim Bürgerfest des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in Berlin dabei. Er hatte die Gelegenheit, mit dem Bundespräsidenten zu sprechen, und das hat er total gut gemacht.“
Was Tunda mitnehmen und in Tansania anwenden will: „Hier schalten sie, bevor es aufs Feld geht, noch den Fernseher an und zeigen, was heute auf der Tagesordnung steht. Das möchte ich auch ausprobieren mit meinem Computer.“ Außerdem wolle er die Anschaffung weiterer Bälle anregen. „Hier in Deutschland hat jedes Kind seinen eigenen Ball, bei uns in Tansania haben wir fünf Bälle für 20 Jungs“, erklärt Tunda.
Zur Frage, was Fortuna umgekehrt auch vom Gast aus Tansania lernen konnte, sagt Reischke: „Wir hängen uns teilweise zu sehr an Kleinigkeiten auf und haben den Blick darüber verloren, dass bei 20 Jungs oder Mädels, die Lust haben, Fußball zu spielen, und Trainern, die Lust haben, es beizubringen, auch schon fünf Bälle für eine gute Trainingseinheit reichen können.“
Für die Zukunft hat Tunda große Ambitionen: „Mein Ziel ist es, einer der besten Trainer in Tansania zu werden und bei einem der größten Turniere in Tansania mitzumachen, beim Afrika-Cup und vielleicht auch bei der WM.“ Fußball sei in Tansania der Sport Nummer eins und wachse weiter.
„Ich hoffe, dass ich meinem Land helfen kann“, betont Tunda. Was ihm am Herzen liege: „Ich möchte mich bei beiden Klubs bedanken und bei allen, dir mir das Praktikum ermöglicht haben. Wenn ich zurück in Tansania bin, habe ich viel Wissen zu teilen und kann meine Arbeit als Trainer verbessern. Wir werden versuchen, genauso zu trainieren, wie ihr es mir beigebracht habt.“