Ist es nicht schon fast unheimlich für Fortuna-Verhältnisse, dass es derzeit so viel Kontinuität wie selten zuvor in der Geschichte des Vereins auf Vorstandsebene gibt?
Björn Borgerding und Sebastian Fuchs „Wir haben bei Fortuna etwas Einzigartiges geschaffen“
Interview | Düsseldorf · Gianni Costa führte das Gespräch
Björn Borgerding: Ich bin jetzt neun Jahre in diesem Aufsichtsrat. Ich habe das jedenfalls noch nicht erlebt in der Kontinuität. Fakt ist: Es tut dem Verein gut. Und wer sich mal in der Wirtschaft oder bei erfolgreichen Sportorganisationen umschaut, wird feststellen, dass Ruhe und Kontinuität oft mit Erfolg und Stabilität belohnt werden.
Sebastian Fuchs: Wir hatten zuletzt zu viele Personalwechsel in Führungspositionen. Zu viel Bewegung und zu wenig Kontinuität. Die erste nachhaltige Vorstandsverlängerung der letzten Jahre war Klaus Allofs. In den letzten neun Jahren hat keiner viel mehr als drei Jahre erreicht. Das sagt vieles aus. Es gibt kein Ideal bei einem Vorstand, jeder hat seine Stärken und Schwächen. Bei diesen drei Personen waren wir uns aber sehr sicher, dass es im Team funktioniert. Und ich würde sie auch genau in dieser Konstellation wieder bestellen. Es läuft natürlich nicht immer alles perfekt, aber dieser Wahnsinn, sich alle drei Jahre den nächsten Heilsbringer ins Haus zu holen! So funktioniert das einfach nicht, man verliert dadurch vor allem Zeit und in der Regel auch viel Geld.
Borgerding: Genau so ist es! Es ist ja im Prinzip immer gleich: Da kommt ein Neuer, der sagt, er müsse sich erst einmal gründlich einarbeiten und sich selbst ein Bild machen. Die Mitarbeiter kennenlernen. Erstes Jahr um. Dann verlierst du als Verein auf allen Ebenen. Manchmal passt es einfach nicht mehr, dann muss man auch entschlossen handeln, aber wenn immer möglich ist es einfach wichtig, kontinuierlich an den Projekten zu arbeiten. Dafür setzen wir uns vehement ein. Und aktuell passt einfach sehr viel.
Fuchs: Man gibt doch sonst auch in der Stadt vielen Entscheidern leichtes Spiel, sich wegzuducken. Da klopfst du als Fortuna an eine Tür und willst „Fortuna für alle“ vorstellen, da liegen auf dem Schreibtisch von dem Entscheider gefühlt zehn Visitenkarten von ehemaligen Verantwortlichen bei Fortuna.
Klingt nach einem Problem.
Borgerding: Ein großes Problem. Die Skepsis ist natürlich bei einigen immer noch da. Und sie ist ja auch ein Stück weit verständlich. Das ist doch der Grund, warum wir in dem Entwicklungsstand da sind, wo wir sind, weil wir nie an den Punkt gekommen sind, auch einmal längerfristig an der Umsetzung von Ideen arbeiten. Ob sie klappen oder nicht, steht immer auf einem anderen Blatt. In genau dieser Situation sind wir jetzt, und das wollen wir als Aufsichtsräte sehr gerne weiter begleiten.
Die finanzielle Situation bei Fortuna ist mal wieder angespannt. Wie fällt Ihre Zustandsbeschreibung aus?
Borgerding: Herausfordernd. Ich möchte gar nicht den Querverweis zu anderen Vereinen machen mit dem Hinweis, da und dort sieht es noch viel schlechter oder viel besser aus. Wir müssen bei uns bleiben. Die Situation ist herausfordernd. So ist auch die Einschätzung des Vorstands. So weit zu gehen, dass ich sagen würde, ich mache mir Sorgen um den Verein, würde ich definitiv nicht gehen, weil wir durch „Fortuna für alle“ eine klare Perspektive haben. Darüber hinaus haben wir mit Hewlett Packard Enterprise und der Targobank unfassbar wertige und langfristige Verträge, die es bei der Fortuna noch nie gegeben hat und uns eine langfristige Planungssicherheit gibt. Aber natürlich weiß auch ein Alexander Jobst als Vorstandsvorsitzender, der neben Strategie auch für Marketing und Vermarktung verantwortlich ist, dass es für eine Provinzial Ersatz geben muss, dass weitere Partner überzeugt werden müssen, damit wir noch größeren Gestaltungsspielraum bekommen. Aber ein „weiter so“ war für uns nicht möglich, genau diese Taktik haben wir uns ja in unserer Kontrollfunktion lange genug angesehen. Wir bewegen uns in einem Markt, in dem alle klassischen Umsatzsäulen rückläufig sind, deshalb war unser Weg nun auch ein Stück weit alternativlos. Wir müssen als Fortuna kreativ sein und eigene, standortbezogene Wege gehen. Was sich da entwickelt hat, ist kein Zufall, sondern es war genauso gewollt und das Ergebnis kontinuierlicher und strategischer Arbeit. Man schreibt sich immer gerne auf die Fahne, innovativ oder mutig zu sein – wir reden nicht nur darüber, sondern sind es auch. Diese Vorreiterrolle hat viele überrascht, weil diese der Fortuna nur wenige zugetraut haben.
Erwarten Sie bis zur Mitgliederversammlung Klarheit im Verhältnis zur Provinzial und möglicherweise auch noch die Verkündung eines neuen Unterstützers bei „Fortuna für alle“?
Borgerding: Zweiter Punkt – wir setzen uns kein Datum. Gleichzeitig wissen über die Arbeit und Agenda unseres Vorstands die Wichtigkeit zur Überzeugung weiterer Partner. Wie immer gehört auch die Bereitschaft von Unternehmen dazu. Das Thema Vermarktung und der damit verbundene wirtschaftliche Anschub ist ein ganz wichtiges Thema.
Fuchs: Ganz genau. Und zum Thema Provinzial: Wir erwarten oder fordern jetzt nicht irgendetwas vor der Mitgliederversammlung. Es geht darum, miteinander an einer Lösung zu arbeiten. Die Gespräche laufen ja. Ich blicke lieber nach vorne, und dann geht es für mich einzig darum, neue Partner zu finden, die bereit sind, mit uns diesen Weg zu gehen. Dieses Projekt kann uns in die Zukunft tragen, es gibt uns eine Perspektive.
Worin sehen Sie vor allem das Besondere an Ihrem Projekt?
Fuchs: Wir waren vorher in einigen Bereichen austauschbar. Jetzt haben wir endlich etwas Einzigartiges geschaffen. Ich finde es nachvollziehbar, dass sich potenzielle Sponsoren die Nummer erst einmal ganz genau angucken. Wir haben ein paar Hürden genommen, die Digitalisierung schreitet bei uns voran. Ich habe keinerlei Rückmeldung bekommen, dass im Rahmen des Bewerbungsprozesses für die Tickets etwas großartig schiefgelaufen sei. Ein Riesenschritt, den auch nicht jeder Fortuna zugetraut hatte.
Kann man im Rückblick sagen: Es ist richtig viel schief gelaufen früher bei Fortuna?
Fuchs: Was mich als Selbständiger, was mich als Unternehmer immer wieder überrascht: Wenn du 125 Jahre als Verein auf dem Buckel hast und kein Eigentum aufbauen konntest, dann muss man sich hinterfragen. Das sehe ich als ein Kernproblem, da gebe ich ihnen zu hundert Prozent Recht, aber was wir trotzdem geschaffen haben, sind Werte in unserem Kader. Ende dieser Saison laufen nur drei Spielerverträge aus – Dennis Gorka, Matthias Zimmermann und Emmanuel Iyoha.
Es gab auch viele Ängste von Mitgliedern, „Fortuna für alle“ könnte der Anfang vom Ende des Vereins sein. Was entgegnen Sie diesen Menschen?
Borgerding: Fortuna bleibt ein Verein! Wir haben unseren Mitgliedern ja ganz genau zugehört. Ein zentraler Punkt war der Wunsch, Verein zu sein und auch zu bleiben. Daran gibt es auch nichts zu rütteln. Deshalb haben wir auch nach neuen, nach kreativen Möglichkeiten gesucht, um uns dennoch den nötigen Spielraum zu verschaffen. Zu unserem Standort haben wir nun das aus unserer Sicht passende Angebot gefunden. Dabei geht es nicht nur um Gratistickets, es geht um so viel mehr. Mittelverwendung, nachhaltige Entwicklung des Vereins, digitale Plattform, Nachwuchsförderung, Frauen- und Mädchen-Fußball. Wir haben uns dafür entschieden, dann machen wir es auch richtig. Aber es gibt diese Ängste oder Fragezeichen. Deswegen sollten wir diese Punkte nicht ignorieren, sondern selbstkritisch sein und in Zukunft die eine oder andere Entscheidung noch besser erklären.
Fuchs: Es gibt ja kaum einen Verein in Deutschland, der in den 1980er und 90er Jahren so risikoreich und nicht nachhaltig gewirtschaftet hat und damit gegen die Wand gefahren ist wie wir. Deshalb stehe ich so sehr hinter „Fortuna für alle“, weil es eine Chance ist, als Verein weiter zu bestehen.
Der VfB Stuttgart hat unlängst Anteile an Porsche verkauft. Was wäre, wenn Henkel als großes Düsseldorfer Unternehmen anklopfen würde und sich mit fünf Prozent einkaufen wollte?
Borgerding: Wir haben doch gerade eine andere Problematik. Wir haben über die Provinzial eben gesprochen. Wir hatten uns alle sehr, sehr gefreut, dass so ein großes Traditionsunternehmen aus Düsseldorf gesagt hatte, dass es unseren Weg unterstützt. Und dann hat dieses Düsseldorfer Unternehmen zurückgezogen. Und wir sagen immer, wir seien ein Wirtschaftsstandort, wir sind die Landeshauptstadt Düsseldorf. Wir kommen ja nicht als Bittsteller, wir kommen ja als ein Verein, der sich Gedanken gemacht hat. Der ein Angebot macht. Jetzt wäre doch die Chance da zu sagen: Alles klar, in einem großen Schulterschluss packen wir es gemeinsam an. Die Saat ist da. Ich finde es persönlich schade, dass es das noch nicht gibt. Stuttgart ist schon ein gutes Beispiel, da hat man schon den Eindruck, dass es diesen Zusammenschluss zwischen Verein, Stadt und Wirtschaft gibt.