Helmut Schulte: Ich brauche die Herausforderung

Der Abschied aus Wien fällt dem neuen Manager von Fortuna Düsseldorf nicht ganz so leicht.

Düsseldorf. Die Stadt ist im Weihnachtsfieber, Lichterketten schmücken die Straßen, Fiaker bahnen sich ihren Weg durch die Massen. Im ersten Bezirk, dem Herzen Wiens, wandern Touristen von einer Attraktion zur nächsten und schlürfen dampfenden Punsch aus kitschigen Tassen. Helmut Schulte, scheidender Sportdirektor von Rapid Wien und Urgestein des FC St. Pauli, sitzt hingegen im Café Schwarzenberg. Während Ober Stefan Kaffee und Tee reicht, erzählt der gebürtige Sauerländer von seiner Zeit im Profifußball.

Herr Schulte, wie schwer fällt Ihnen der Abschied?

Helmut Schulte: Ich bin mehr als wehmütig. Wien ist eine überragende Stadt, Rapid ein toller Verein — der Verein, den in Österreich jeden interessiert. Und ich wohne mit meiner Frau super, im Zentrum zwischen Stadtpark und Belvedere.

Am Anfang sah es aber noch nicht so rosig aus . . .

Schulte: Es gab ein Fundament an schlechter Stimmung, weil wir eine lange Misserfolgsserie hatten. Auf St. Pauli wäre das akzeptabel gewesen, wenn man drei Spiele verliert und fünf unentschieden spielt — aber hier ging das gar nicht. Da gab es eine Situation und es hat nicht viel gefehlt, dass ich gesagt hätte: Macht euren Kram alleine. Vor allem mit den Fans lief es nicht rund. Damals fühlte ich mich sehr ungerecht behandelt. Wenn Menschen im Stadion ein Transparent mit dem Spruch „Wir haben Rapid im Herzen, das ist bekannt, Schulte zurück an die Waterkant“ aufhängen, dann ist das alles andere als überragend. Das muss man erst mal schaffen, so ein Riesending in die Kurve zu bekommen. Damals hat es mich total geärgert. Heute lache ich mich darüber kaputt, weil es ein klassisches Missverständnis war.

Gab es noch weitere Baustellen?

Schulte: Wir hatten auch wirtschaftliche Probleme. Alte Verträge liefen aus, wir mussten uns von Spielern trennen, die die Mannschaft geprägt hatten. Aber wir haben den Umschwung mit den ganz jungen Spielern hingekriegt und dann ging’s auch Richtung leiwand (Wiener Wort für super; Anm. der Red.). Wir sind langsam aber sicher ins Rennen gekommen. Als wir dann die Qualifikation für die Euroleague geschafft haben, sind ganze Steinbrüche von unseren Herzen gefallen.

Jetzt läuf’s rund und Sie verlassen Wien. Zum Abschied helfen Sie dabei, Ihren Nachfolger zu finden. Wie läuft die Suche?

Schulte: Als der Präsident mich darum bat, war das wie ein Ritterschlag für mich. Wir machen ein richtiges Casting wie im Fernsehen, inklusive Recall. Da bin ich sehr optimistisch.

Fehlt Ihnen St. Pauli?

Schulte: Ich wollte beim FC St. Pauli bleiben und arbeiten — aber nicht zu jedem Preis. Den Vertrauensbeweis zu fordern war eine schwere Entscheidung, da herrschte eine Woche lang Chaos im Kopf. Schon unmittelbar nach der einvernehmlichen Trennung wurde mir klar, dass es nicht anders gegangen wäre.

Sie haben schon in den unterschiedlichsten Positionen gearbeitet. Woher nehmen Sie die Motivation?

Schulte: Ich brauche die Herausforderung und mag es, wenn ich mich neu reinarbeiten muss. Und wenn es dann gut läuft, habe ich wieder das Gefühl: Nun könnte was anderes kommen.

Nun geht’s von Wien nach Düsseldorf. Was nehmen Sie aus Österreich mit?

Schulte: Hier wird sich mehr um die Leute gekümmert, es wird personenorientierter gearbeitet. In Deutschland sind wir sehr sachbezogen und technisiert. Menschen müssen funktionieren. In Wien sind Menschen erst mal Menschen mit ihren Gefühlen und Sorgen, das Miteinander spielt eine größere Rolle.

Und was wird Ihnen in Wien am meisten fehlen?

Schulte: Das hier (zeigt durch den Raum), ich bin kein Kaffeehaus-Sportdirektor, aber immer wenn wir in der Stadt gewesen sind, haben wir hier abends noch einen Absacker — Fluchtachterl nennen sie das — getrunken. Das ist schon toll. Mir wird das Café Schwarzenberg fehlen und der Ober Stefan.