Matthes Mauritz: Fortunas sportliches Multitalent

Der heute 87-Jährige spielte Hockey, Tennis und Fußball auf höchstem Niveau. Im Fortuna-Dress lief die lebende Legende anfangs für ein Abendessen auf.

Düsseldorf. Die Augen des 87-Jährigen funkeln wie Meisterschalen in der Sonne. Wenn Matthias Mauritz, den alle nur Matthes nennen, von seinem Leben mit der und für die Fortuna erzählt, kommt er ins Schwärmen. Manchmal wird aber auch kräftig geschimpft, gelästert und gelacht.

Dass er irgendwann eine lebende Legende des Traditionsvereins sein würde, stand nie im Lebensplan des Grafenbergers. Ein bisschen gebolzt hat er als Junge schon. „Da gab es immer Schlachten mit den Jungs aus den umliegenden Straßen auf dem Stauffenplatz“, erinnert er sich. Aber mit Fußball groß rauskommen? Seine Leidenschaften sind vor dem Krieg Feldhockey und Tennis.

Es ist die Not der Nachkriegszeit, die Mauritz schließlich in die Arme der Fortuna treibt. 1945 sprechen ihn ehemalige Mitschüler der Rethel-Schule in einem Café an der Kö an. „Sie sagten: ,Wir spielen gegen Fortunas Dritte, bist du dabei?’“, erzählt Mauritz. Mitspieler sind kurz nach dem Krieg knapp, und der damals 20-Jährige springt ein.

Schiedsrichter des Spiels ist der Sohn des damaligen Fortuna-Platzwarts, und dem fällt Mauritz auf: „Er sagte, ich solle meine Telefonnummer da lassen, ich könnte bei Fortuna spielen. Ich antwortete, dass ich doch Hockey- und Tennisspieler wäre und kein Fußballer.“

Aber am nächsten Tag ruft der Wirt vom Benrather Hof an, der gleichzeitig Obmann der Fortuna ist. Sein Angebot: Jede Woche zwei Pfund Fleisch und ein Abendessen. Mutter Mauritz entscheidet, da muss der Junge hin — ein Esser weniger am Tisch. Und Mauritz ist Fortune.

Als er zum Training kommt, muss die Mannschaft erst zwei Bombenkrater auf dem Platz am Flinger Broich mit Schutt auffüllen. Dann wächst Gras über die Sache. Am 30. Oktober 1945 läuft Mauritz erstmals für Fortunas erste Mannschaft auf. Vor 15000 Zuschauern gegen die Royal Welsh Fusiliers. „Mir ist so die Muffe gegangen“, sagt Mauritz heute, aber alles geht gut. Der Grafenberger spielt gegen die englischen Soldaten seine Schnelligkeit aus und schießt als Mittelstürmer zwei Tore. Plötzlich ist er Stammspieler in der Mannschaft, in der noch sieben Meister von 1933 stehen. Männer denen er als Kind zugejubelt, denen er die Taschen getragen hat.

Mauritz ergänzt seine Schnelligkeit mit Technik. Er nimmt einen Ball mit nach Hause und übt and der Rückwand der Bäckerei. Stoppen, Passen. Links, Rechts. Einen Vertrag unterschreibt er aber in 15 Jahren bei Fortuna nicht. „Ich blieb immer Amateur, sonst hätte ich nicht mehr aktiv Tennis spielen dürfen.“ An einem Wochenende 1949 bringt er alles unter einen Hut: Samstagmittag trifft er beim 4:1 im Aufstiegsspiel zur Oberliga West der Fortuna gegen Marathon Remscheid, Sonntagmorgen spielt er in Mühlheim ein Hockey-Halbfinale und Sonntagmittag schlägt er in Krefeld auf dem Tennisplatz auf. „Das war mein größtes sportliches Erlebnis.“

Sein Können weckt Interesse. Der FC Bayern bietet ihm 1952 10 000 Mark Handgeld für einen Wechsel nach München. „Das waren damals zwei Autos.“ Mauritz liegt eine Woche im Hotel Kraft in München auf dem Bett und grübelt. „Dann hab ich mir gesagt: Bist du denn verrückt. Du hast eine Mutter und drei Schwestern in Düsseldorf, eine Bäckerei und ein Mädchen.“ Der Stürmer gibt das Geld in der Geschäftsstelle der Bayern zurück und fährt nach Hause. „Ich bin wohl der einzige Fußballer, der je bei Bayern das Geld zurückgegeben hat. Ich habe es nie bereut.“

Bundestrainer Sepp Herberger, mit dem Mauritz 1952 bei Olympia Vierter geworden war, beruft den damals fast 35-Jährigen 1959 schließlich in die A-Nationalmannschaft. „Das war eine reine Geste von ihm. Die Presse hat geschimpft: Was will der mit dem alten Mann?“ sagt Mauritz. Und Herberger reagiert auf seine Weise: Er lädt die Journalisten zu einem 100-m-Wettrennen zwischen dem „Alten Mann“, Bernie Kloth, Helmut Haller und Horst Szymaniak ein. Mauritz hängt alle ab. Von wegen langsamer alter Mann.

1961 gibt Mauritz sein Abschiedsspiel, danach wird es ruhiger um den Fortunen. Bis „sein Verein“ ihn nach dem verlorenen Europacup-Finale in Basel gegen den FC Barcelona in den Vorstand beruft. Er wird dritter Vorsitzender und nach Querelen um einen angeblichen Wechsel von HSV-Star Kevin Keegan an den Rhein sogar Vize-Präsident. „Das war die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich wollte nie Funktionär werden. Ich hatte immer das Gefühl, die sind nicht mit dem Herzen bei der Sache.“

Heute ist Matthes Mauritz vor allem Fan. Bei jedem Heimspiel fiebert der 87-Jährige in der Arena mit und hofft auf den Aufstieg. Doch auch seine Verdienste sind nicht vergessen: „Ich bekomme heute noch Autogramm-Anfragen.“