Urlaubsinsel ade: DFB-Frauen ratlos - nun gegen Italien
Växjö (dpa) - Die Leistung wird schlechter, die Wortwahl drastischer. „Wenn wir nicht bald den Arsch hochkriegen, wird das kein gutes Turnier“, schimpfte Spielführerin Nadine Angerer nach der ersten EM-Niederlage der deutschen Fußballerinnen seit 20 Jahren.
Ihre Teamkollegin Annike Krahn war sichtlich und hörbar angefressen wegen des 0:1 gegen Norwegen. „Auf Deutsch gesagt, scheiße“, sagte die Innenverteidigerin auf die Frage, wie sie das abschließende Vorrundenspiel der Mannschaft nach einmal schlafen beurteile.
Auch am Morgen nach der historischen Pleite, der ersten bei einer EM seit dem 1:3 gegen Dänemark im Spiel um Platz drei am 3. Juli 1993, fanden die DFB-Frauen kaum eine Erklärung für den besorgniserregenden Leistungsabfall vor den K.o.-Spielen. „Wir fragen uns natürlich auch, woran es liegt und sprechen darüber. Antworten fehlen aber zum Teil noch“, meinte Krahn und schaute lieber positiv nach vorn. „Jetzt kommt Italien, und wir wollen ins Halbfinale. Wenn wir unsere Leistung abrufen, müssen sie uns erstmal schlagen.“ Allerdings tat sich die Elf vor vier Jahren in Finnland beim knappen 2:1 im Viertelfinale gegen den gleichen Gegner schon schwer. „Diesmal wird es sicher genauso“, sagte Celia Okoyino da Mbabi.
Danach hieß es schon wieder Koffer packen! Nach dem Mittagessen im feinen Hotel Skansen in Färjestaden trat der DFB-Tross die knapp zweistündige Rückreise mit dem Bus nach Växjö an, wo das Team schon die ersten acht Tage in Schweden verbracht hatte. Am Nachmittag zog die Elf wieder ins Elite Park Hotel der 60 000-Einwohner-Stadt.
Ellenlang war die Mängelliste, die Silvia Neid nach dem Ende der unglaublichen Erfolgsserie von 28 EM-Partien herunterratterte: „Zu wenig Tempofußball, zu viele Fehlpässe und Ballverluste, zu träge, zu verspielt vor dem Tor, zu wenig den Abschluss gesucht. Es wollten immer nur eine oder zwei Spielerinnen den Ball haben. Das war zu wenig“, kritisierte die Bundestrainerin ihre Schützlinge ungewöhnlich hart. Die Schonfrist selbst für die Jungen scheint abgelaufen.
Zwar gesteht Neid gerade den vielen noch unerfahrenen Akteurinnen „Leistungsschwankungen“ zu, kündigte aber auch an, dass sie der Mannschaft „einige Fragen stellen“ werde. Neid ist gewillt, dem Team des Titelverteidigers jede Hilfestellung zu geben. „Aber aufbauen müssen sich die Spielerinnen schon auch selbst. Wir sind ja bei einer EM!“
Dabei war die Vorbereitung, abgesehen von vielen Verletzungen, reibungslos und verheißungsvoll verlaufen. Die Testsiege gegen Schottland (3:0), Kanada (1:0) und Weltmeister Japan (4:2) gaben Selbstvertrauen. Doch womöglich vermittelten sie auch das trügerische Gefühl, mit der jungen Truppe (Durchschnittsalter 23,6 Jahre) nach dem achten EM-Titel greifen zu können. Auch die Erwartungen in der Heimat sind nach der WM-Pleite 2011 wieder gewachsen.
Mit der Euphorie ist es nach dem 0:1 durch den abgefälschten Schuss von Ingvild Isaksen (45.+1) nicht mehr weit her. Erst das 0:0 gegen die Niederlande, die nur gegen Deutschland einen Punkt holten und als Gruppenletzter nach dem 0:1 gegen Island die Heimreise antraten. Das deutsche 3:0 gegen Island war okay, mehr nicht. Die „Nordlichter“ haben sich zwar zum ersten Mal für ein Viertelfinale qualifiziert, gehören bislang aber nicht gerade zu Europas Frauenfußball-Beletage und bewegen sich eigentlich nicht auf dem Niveau des Rekordeuropameisters und zweimaligen Weltmeisters.
Und nun die Schlappe gegen Norwegen, das wegen seines antiquierten Spielstils schon lange nicht mehr zu den Besten gehört. So kommt auch Neid zu der Erkenntnis, dass Deutschlands Favoritenrolle aus Sicht der Rivalen wie Frankreich, Gastgeber Schweden oder Spanien wohl futsch ist. „Wenn ich unser Spiel von außen beobachtet hätte, hätte ich gesagt: Gegen die kann man gewinnen und braucht keine Angst zu haben.“ Noch ist Gelegenheit, den Eindruck zu korrigieren.