Gelbe Karte für Buchautor Lahm - Gespräch mit Löw
Berlin (dpa) - Gelbe Karte für Philipp Lahm. Überrascht von der heftigen Kritik aus der Bundesliga hat sich Buchautor Philipp Lahm bei seinen Ex-Trainern Rudi Völler und Jürgen Klinsmann entschuldigt.
Das verbale Einlenken bewahrt den Fußball-Nationalspieler womöglich vor drastischen Konsequenzen - bis hin zu einer möglichen Absetzung als Kapitän des DFB-Ensembles. Sein offiziell am Montag in den Handel kommendes Buch „Der feine Unterschied“ wird aber noch vor dem Österreich-Länderspiel in der kommenden Woche zu einer ernsten Gesprächsrunde mit Lahm, Bundestrainer Joachim Löw, DFB-Teammanager Oliver Bierhoff und dem Spielerrat führen.
„Ich wollte Rudi Völler, Jürgen Klinsmann und andere Personen selbstverständlich nicht persönlich treffen oder gar beleidigen“, ließ Lahm am Donnerstag in einem schriftlichen Statement durch sein Management mitteilen. Unmittelbar darauf folgte die Erklärung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Der Verband lässt Lahm straffrei, aber bestellt ihn im Düsseldorfer Teamquartier zum Rapport. „Es gibt einige Passagen in dem Buch, die mir nicht gefallen, weil hier ein Spieler einige Trainer, die lange und erfolgreich gearbeitet haben, öffentlich beurteilt“, äußerte Löw in der Verbandsmitteilung.
Lahms Sammelsurium an ausgeplauderten Team-Interna aus dem engsten DFB-Zirkel findet Löw offenkundig nicht lustig, obwohl ihm im Gegensatz zu den arg kritisierten Trainerkollegen Klinsmann, Völler, Felix Magath und Louis van Gaal durchweg geschmeichelt wird. „Jogi Löw ist ein präziser Denker mit einem guten Gespür für die taktischen Möglichkeiten einer Mannschaft“, schreibt Lahm unter anderem über seinen Förderer.
Den Ernst der Lage für Lahm, über dessen literarische Lästereien am Donnerstag auf höchster DFB-Hierarchieebene debattiert wurde, beschreibt die Aussagen von Verbandschef Theo Zwanziger: „Unsere Nationalspieler müssen sich ihrer besonderen Verantwortung in der Öffentlichkeit bewusst sein. Dazu gehört auch der Respekt vor Persönlichkeiten des Fußballs, mit denen sie nicht immer einer Meinung waren oder sind.“
Den Stab über Käpt'n Lahm brechen wollte beim DFB aber dann doch niemand. „Philipp hat für mich den Fehler gemacht, dass er die durch die Vorab-Veröffentlichung seines Buches entstehende Eigendynamik und mögliche Interpretationen nicht richtig eingeschätzt hat“, sagte Zwanziger.
Lahm rechtfertigte sich für sein Erstlingswerk. Provokation sei nicht sein Ziel gewesen. „Vielmehr wollte ich, wie aus der Lektüre meines Buches zweifelsfrei hervorgeht, ehrlich meine Meinung über die Arbeit unter unterschiedlichen Trainern und zu verschiedenen Zeiten schildern und einige Hintergründe dieser Entwicklung beleuchten. Dies erscheint mir in der derzeitigen Diskussion verkürzt und überzogen rübergekommen zu sein. Das tut mir leid. Für Missverständnisse, die auf diese Weise entstanden sind, entschuldige ich mich hiermit bei allen Beteiligten“, sagte Lahm.
Eine Reaktion von Lahms Arbeitgeber FC Bayern München gab es derweil nicht. Am Donnerstag hatten die Profis trainingsfrei. Für ein club-kritisches Interview hatte Lahm 2009 eine Rekordstrafe in fünfstelliger Höhe zahlen müssen. Seine neue Kritik an Klinsmann bezog sich auf dessen Trainer-Zeit in München und nicht beim DFB.
Da Lahm wohl straffrei ausgeht, könnte es für den DFB künftig schwerer vermittelbar sein, Indiskretionen zu bestrafen. 1987 war für Torwart Toni Schumacher nach seinem provokanten Buch „Anpfiff“ die Länderspielkarriere beendet. Lothar Matthäus musste zehn Jahre später nach seinem „Geheimen Tagebuch“ beim FC Bayern die Kapitänsbinde abgeben.
Aus der Bundesliga war die Kritik an Lahm am Donnerstag nicht abgeebbt. „Es kann nicht sein, dass man über Trainer herzieht“, sagte der Sportdirektor des VfB Stuttgart, Fredi Bobic. Bayer Leverkusens Trainer Robin Dutt schlug ähnliche Töne an. „Das ist ein absolutes Tabu-Thema. Man kann nur froh sein, dass man nicht Teammitglied von Philipp Lahm ist, weil man nicht weiß, was in den nächsten fünf Jahren veröffentlicht wird.“
Der von Lahm ebenfalls gescholtene Felix Magath versuchte es mit einer ironischen Replik. „Soll ich mir graue Haare wachsen lassen, wenn jemand, dem ich zum Bundesligaspieler verholfen habe und der im bezahlten Fußball zuvor noch keine Rolle gespielt hat, eine Meinung vertritt - so fundiert sie auch sein mag...“.
Für Löw ging es primär darum, die Gemüter zu beruhigen, um seine Auswahl von kommenden Montag an mit der nötigen Akribie auf das EM-Qualifikationsspiel am 2. September in Gelsenkirchen gegen Österreich vorbereiten zu können. Ein Sieg würde vorzeitig das EM-Ticket sichern und nach dem Testspiel am 6. September in Danzig gegen EM-Gastgeber Polen weitere Experimentiermöglichkeiten zum Qualifikationsabschluss in der Türkei (7. Oktober) und gegen Belgien (11. Oktober) bescheren.