Bosnien vor erster WM-Teilnahme: Nicht überall Euphorie
Berlin (dpa) - Es wäre ein historischer Erfolg: Gewinnt Bosnien-Herzegowina am Dienstag in Litauen sein letztes Qualifikationsspiel, nimmt das Land erstmals an einer Fußball-WM teil. Doch nicht überall herrscht Euphorie.
Kein anderes Land im ehemaligen Jugoslawien war stärker vom Bürgerkrieg in den 1990er Jahren betroffen als Bosnien. Muslime, Serben und Kroaten sind in dem aus mehreren Teilen zusammengesetzten Staat immer noch zerstritten. Wenn das mit einigen Bundesliga-Profis gespickte Team im Fernduell mit dem punktgleichen Griechenland (beide 22 Punkte) um Platz eins in der Gruppe G kämpft, sind daher nicht alle Einwohner Fan der bosnischen Nationalmannschaft.
Während Muslime und Bosniaken dem entscheidenden Match in Litauen gespannt entgegen blicken, halten sich die Emotionen bei Serben und Kroaten in Grenzen. Den 4:1-Sieg Bosniens gegen Liechtenstein am vergangenen Freitag bejubelten die Fans in Sarajevo. In den serbischen und kroatischen Zentren von Banjaluka und Mostar blieb es dagegen ruhig. Die meisten bosnischen Serben unterstützen das serbische Nationalteam und nicht das Land, in dem sie leben. Ähnlich verhält es sich im westlichen Teil des Landes. Dort leben die bosnischen Kroaten: Sie interessieren sich vor allem für die kroatische Nationalmannschaft.
Stuttgarts Torjäger Vedad Ibisevic denkt vor dem wichtigsten Spiel seines Landes ganzheitlich. „Es ist nun an uns, unsere Fans glücklich zu machen“, sagte der in einer bosniakisch geprägten Familie im Osten des Landes aufgewachsene Stürmer. Der mit sechs Toren in der Bundesliga führende Mittelstürmer ist sich allerdings bewusst, dass die Aufgabe in Litauen ungleich härter wird, als das Duell mit dem Fußballzwerg aus Liechtenstein. Da die punktgleichen Griechen zeitgleich das Liechtensteiner Leichtgewicht zu Hause in Piräus empfangen, gibt Ibisevic die Marschroute vor: „Wir spielen auf Angriff, ohne Wenn und Aber.“
Als ob er sich mit Ibisevic abgesprochen hätten, kündigte auch Nationaltrainer Safet Susic an: „Wir werden nicht geduldig spielen, sondern von der ersten Minute an attackieren und den Sieg suchen.“ Für den früheren Wolfsburger Zvjezdan Misimović wäre die WM-Teilnahme im kommenden Jahr in Brasilien der Höhepunkt seiner Karriere. Der Sohn orthodoxer Bosnier, der 2009 mit Wolfsburg deutscher Meister wurde, machte sich, seinen Mitspielern und den Menschen des multi-ethnischen Landes noch einmal bewusst: das große Ziel ist so nah. „Wir sind nur 90 Minuten von Brasilien entfernt“, sagte der 31-Jährige, der mittlerweile in China sein Geld verdient.
Auch Griechenland darf trotz des eher enttäuschenden 1:0 gegen die Slowakei am Freitag noch auf die direkte Qualifikation für die WM hoffen. „Das Licht ist noch nicht aus für Griechenland“ kommentierte Trainer Fernando Santos im Anschluss an das Match in Piräus. „Unsere Hoffnungen sind nach diesem Sieg ungebrochen. Wir werden jetzt gegen Liechtenstein gewinnen und hoffen, dass irgendein Wunder mit Bosnien geschieht“, sagte der Portugiese im Fernsehen.