Britisches Quartett auf dem Weg zur EM-Endrunde
London (dpa) - Die englische Fußball-Liga macht gern mit Einkäufen Schlagzeilen, die englische Nationalmannschaft eher mit Niederlagen. Nach einem Tiefpunkt bei der WM könnte es für die Briten international aufwärtsgehen: Nicht nur Englands EM-Quali läuft besser als erwartet.
Englands Nationalmannschaft ist traditionell ein Fall für böse Fußballwitze. „Jahrelang wollten wir wie die Spanier spielen, jetzt machen wir es“ - so lautete vor gut einem Jahr der WM-Spruch des Jahres auf der Insel, nachdem die „Three Lions“ wie der Titelverteidiger in der Vorrunde sang- und klanglos ausgeschieden waren. Was es sonst noch gibt an britischem Fußball, Schottland, Wales und Nordirland, das fand international ohnehin kaum Beachtung. Doch das ändert sich gerade, denn im Reich der Queen bahnt sich eine kleine Fußball-Revolution an.
Die Chancen stehen nicht schlecht, dass alle vier Teams im kommenden Jahr zur Europameisterschaft nach Frankreich fahren. Das wäre ein Novum, denn Nordirland und Wales waren noch nie bei einer kontinentalen Endrunde dabei. Ein Überblick über den Stand der Dinge.
ENGLAND (Gruppe E, Platz 1, 18 Punkte aus 6 Spielen): Roy Hodgsons Team hatte Glück bei der Auslosung, steht aber auch unter Druck nach dem WM-Desaster. Bei sechs Siegen in sechs Spielen gibt es bisher wenig zu meckern. Ein Sieg gegen San Marino und kein Sieg für Slowenien in der Schweiz, dann hätten die Engländer schon am Samstag die Qualifikation in der Tasche. Euphorisch stimmt das zu Hause niemanden. Eher tut die Mannschaft endlich das, was von ihr erwartet wird.
WALES (Gruppe B, Platz 1, 14 Punkte aus 6 Spielen): Kaum ein Team lebt so sehr von einem einzigen Star. Wohl und Wehe der Waliser hängen von Real-Madrid-Stürmer Gareth Bale ab. Die Mannschaft von Trainer Chris Coleman hat die Qualifikation bisher so erfolgreich gespielt wie nie zuvor - dabei dürften aber auch Teamgeist und Motivation eine große Rolle gespielt haben.
Die rund drei Millionen Waliser haben ihre Fußballbegeisterung spätestens seit dem 1:0-Sieg gegen Belgien wiederentdeckt, nachdem sie sich sonst lieber auf ihre Rugby-Mannschaft konzentrieren. Es winkt die erste Teilnahme an einem großen Turnier seit 57 Jahren.
SCHOTTLAND (Gruppe D, Platz 3, 11 Punkte aus 6 Spielen): Die gut gelaunten Fans bekommen in aller Regel mehr Lob als die Mannschaft - doch diesmal darf die „Tartan Army“ (Schottenmuster-Armee) hoffen. „Wenn wir nach Frankreich gehen, werden sie dort einfallen“, orakelt Mittelfeldspieler Charlie Adam. Qualifiziert ist der Gruppengegner der DFB-Elf längst nicht, ein Playoff-Platz ist aber in Reichweite.
Beim letzten Spiel in Dublin sah das Team von Trainer Gordon Strachan schlecht aus und musste über einen Punkt froh sein. Kein Wunder, dass die Presse das Auswärtsspiel gegen Georgien am Freitag zum „wichtigsten seit Jahren“ erklärt hat. Mit einem Sieg gegen Deutschland drei Tage später rechnet sowieso keiner.
NORDIRLAND (Gruppe F, Platz 2, 13 Punkte aus 6 Spielen): Seit ihrer WM-Teilnahme in Mexiko 1986 haben die Nordiren wenig gerissen. In der Quali zur letzten WM gelang gerade mal ein einziger Sieg. Inzwischen sind die Fans überzeugt, dass es 2016 nach Frankreich geht - ein Sieg gegen die Färöer-Inseln am Freitag wäre ein großer Schritt dahin.
Wie auch in Wales dürfte der Teamgeist mit ausschlaggebend sein, denn viel Auswahl hat Trainer Michael O'Neill nicht. „Wir haben nicht genug Spieler, um ganz oben zu spielen“, sagte er. In dem konfliktgeplagten Land, in dem sich immer noch viele entweder als Briten oder als Iren fühlen, spielt der Fußball aus O'Neills Sicht eine besondere Rolle: „Eine nordirische Mannschaft zu haben, die stark und erfolgreich ist, hilft der Identität. Und das ist meiner Meinung nach sehr, sehr wichtig.“