FIFA-Fiasko: Präsident Blatter in Erklärungsnot
Zürich (dpa) - Aussitzen statt Aufklären: Die FIFA hat die neuen Bestechungsvorwürfe gegen drei Exekutivmitglieder als gegenstandslos bezeichnet und den skandalösen Fall einfach für beendet erklärt.
Unmittelbar vor der umstrittenen Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 am 2. Dezember in Zürich hat der Weltverband damit endgültig jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Es handele sich um Vorgänge, die von den zuständigen Schweizer Strafbehörden bereits untersucht worden seien, teilte die schwer unter Druck geratene FIFA mit. „In seinem Urteil vom 26. Juni 2008 hat das Strafgericht Zug keinen FIFA-Funktionär verurteilt“, hieß es in einer Presseerklärung. Es sei auch kein FIFA-Mitglied wegen krimineller Delikte angeklagt worden.
Die Reaktion wirft ein schlechtes Licht auf den Weltverband und seinen Präsidenten Joseph Blatter. Der hatte nach der Suspendierung der beiden Exekutivmitglieder Reynald Temarii (Tahiti) und Amos Adamu (Nigeria) wegen Verletzung des Ethik-Codes noch im Brustton der Überzeugung erklärt, dass „alle Zweifel ausgeräumt“ und neue Korruptionsfälle ausgeschlossen seien. Die Verfehlungen des Trios liegen zwar schon einige Jahre zurück, sind aber Beleg dafür, dass Schmiergelder im Milliardengeschäft Fußball wohl zur Tagesordnung gehören.
Claudio Sulser, der Schweizer Chef der sechsköpfigen Ethik- Kommission, sprach trotzdem von einem riesigen Imageverlust. „Der Schaden für den Ruf der FIFA ist sehr groß“, betonte Sulser. Ein detaillierter Maßnahmenkatalog zu einem geänderten Wahlmodus oder striktere Richtlinien für Spitzenfunktionäre wurden vorerst nicht präsentiert. Stattdessen bestätigte FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke, beide WM-Turniere würden wie geplant am 2. Dezember vergeben. FIFA-Präsident Joseph Blatter will sich erst nach einer Sondersitzung der Exekutive am 3. Dezember in Zürich zu dem Urteil und den Folgen äußern.
Blatter, der sich im Fall der suspendierten „Hinterbänkler“ Temarii und Adamu als tatkräftiger Aufklärer gerierte, gerät nun in Erklärungsnot, warum in der FIFA mit zweierlei Maß gemessen wird. Die Antwort liegt auf der Hand: Bei den beschuldigten Ricardo Texeira (Brasilien), der allein zwischen 1992 und 1997 insgesamt 9,5 Millionen Dollar von der damaligen FIFA-Hausagentur ISL kassiert haben soll, Nicolás Leoz (Paraguay), Präsident des Südamerikanischen Fußball-Verbandes, sowie Issa Hayatou, dem Präsidenten des afrikanischen Kontinentalverbandes (CAF) handelt es sich um Schwergewichte des internationalen Fußballs.
Nach Texeira und Leoz wies auch Hayatou über einen Sprecher die Verwicklung in die Affäre zurück. Die 25 000 Schweizer Franken, die 1995 von der ISL auf sein Konto überwiesen wurden, seien für die Feierlichkeiten zum 40-jährigen Jubiläum des CAF bestimmt gewesen, teilte der Verband mit. Allerdings hat das Internationale Olympische Komitee (IOC), deren Mitglied Hayatou ist, eine Untersuchung eingeleitet. „Das IOC hat eine Null-Toleranz-Politik gegen Korruption und wird die Angelegenheit an die IOC-Ethik-Kommission weiterleiten“, teilte das IOC in einer Presseerklärung mit.
Schon vor Jahren hat Blatter in dieser Causa eine „Mauer des Schweigens“ aufgebaut. Der 74 Jahre alte Schweizer dürfte kein Interesse haben, dass alle unappetitlichen Details der Affäre nun doch noch ans Tageslicht kommen. Insgesamt 138 Millionen Schweizer Franken flossen damals von der Vermarktungsagentur ISL als Schmiergelder in dunkle Kanäle. Eine völlige Aufklärung gab es nie. Das Strafgericht Zug stellte das Verfahren vor zwei Jahren ein, nachdem die Begünstigten 5,5 Millionen Schweizer Franken an die FIFA zurückgezahlt hatten. Für diesen Deal blieben die Sünder anonym - und der Weltverband war fein raus.
Transparenz, Glaubwürdigkeit, Fair Play - all diese von Blatter gerne benutzten Schlagworte sind vergessen. „Aufräumen in der FIFA ist jetzt dringend geboten. Ein Aussitzen eines solchen Falles ist nicht mehr möglich. Man muss jetzt ganz grundsätzlich heran gehen und eine strukturelle Erneuerung des Weltverbandes anstreben“, forderte die Sportbeauftragte von Transparency International, Sylvia Schenk.
Die Schweizer Filiale der Anti-Korruptions-Organisation forderte sogar die Verlegung der WM-Vergabe. Dass dies ein frommer Wunsch bleiben wird, hatte Franz Beckenbauer am vergangenen Sonntag klargemacht. „Wir ziehen das jetzt durch“, sagte das deutsche Exekutivmitglied. Der „Kaiser“ zieht sich aus privaten Gründen im Frühjahr 2011 aus der Weltregierung des Fußballs zurück. Es ist wohl auch eine Flucht vor dem schlechten Ruf der FIFA.