Gibraltar: Das etwas andere Nationalteam
Gibraltar (dpa) - Normalerweise kickt Adam Priestley in seiner Freizeit bei einem kleinen Verein in England in der Gegend von Leeds. Am Sonntag will der Amateurfußballer dem FC-Bayern-Torjäger Robert Lewandowski die Show stehlen.
Der 24-jährige Stürmer, von Beruf Lehrer, trifft dann in der Qualifikation für die EM 2016 mit der Nationalelf von Gibraltar auf Polen. „Es will mir nicht in den Kopf, wenn ich daran denke“, sagte Priestley dem britischen Sender BBC.
Für Gibraltar ist die Partie in Faro im Süden Portugals das erste Spiel in einem offiziellen Wettbewerb. Das Team vom „Affenfelsen“ ist in der Gruppe D auch Gegner von Weltmeister Deutschland. Am 14. November tritt es in Nürnberg gegen die Elf von Bundestrainer Joachim Löw an. Fast alle Nationalspieler Gibraltars sind Amateure und arbeiten hauptberuflich bei der Polizei, der Feuerwehr oder in der Verwaltung.
Priestley unterrichtet an einer Oberschule in Leeds und musste sich für das Spiel gegen Polen freinehmen. „Sie unterstützen mich in meinem Job, so gut es geht“, sagte er. Am Tag nach dem Spiel fliegt er nach England zurück, am Dienstag muss der Lehrer wieder vor seiner Klasse stehen. Die Schüler nennen ihn „Mr. Gibraltar“. Für die Nationalelf des britischen Territoriums am Südzipfel der Iberischen Halbinsel darf er spielen, weil er dort geboren wurde, als sein Vater im Dienst der Luftwaffe auf dem Felsvorsprung stationiert war.
Gibraltar, das seit 1713 zu Großbritannien gehört, hatte seit 1999 um die Aufnahme in die Europäische Fußball-Union (UEFA) gekämpft. Das Vorhaben scheiterte lange Zeit am Widerstand Spaniens, das Ansprüche auf das Territorium erhebt. Im Mai 2013 wurde Gibraltar offiziell in die UEFA aufgenommen. Mit seinen knapp 30 000 Einwohnern ist es das kleinste UEFA-Mitglied, sogar noch etwas kleiner als San Marino.
Die Nationalelf bestritt seither fünf Länderspiele. Die Bilanz: ein Sieg gegen Malta, zwei Remis gegen die Slowakei und Estland sowie zwei Niederlagen gegen Estland und die Färöer-Inseln. Da das heimische Victoria-Stadion nicht UEFA-Standards entspricht, trägt Gibraltar seine Heimspiele bis zum Bau einer neuen Arena in Portugal an der Algarve-Küste aus.
Priestley war in allen fünf Länderspielen dabei. Ein Tor glückte ihm bislang aber nicht. Während der Weltmeisterschaft in Brasilien hatten er und die anderen Nationalspieler die deutsche Elf - ihren künftigen Gruppengegner - besonders genau beobachtet. „Es war verrückt, die Deutschen da spielen zu sehen und daran zu denken, dass wir ihnen bald auf dem Platz gegenüberstehen werden“, sagte Priestley. „Aber wir sollten uns nicht einschüchtern lassen.“
Seine Teamkameraden beim FC Farsley in England ziehen den Stürmer zuweilen wegen seiner Gibraltar-Einsätze auf. „Wenn ihm ein Fehler unterläuft, sticheln wir ihn damit, dass er so etwas gegen einen Toni Kroos lieber nicht machen sollte“, berichtete Farsleys Kapitän Robbie O'Brian dem BBC.
Von den Spielern im Kader der Nationalmannschaft spielen drei in England und je einer in Wales und Israel. Die große Mehrheit ist in Gibraltar aktiv. Dort wird bereits seit mehr als 100 Jahren eine Meisterschaft ausgetragen. Derzeit spielen acht Clubs in der 1. und zwölf in der 2. Liga. Der Fußballverband Gibraltars (GFA) wurde 1895 gegründet und ist einer der ältesten der Welt.