Soccer-Boy Klinsmann vor erstem Titel

Berlin (dpa) - Eine große Euphorie um Jürgen Klinsmann und seine Soccer-Boys ist in den USA noch nicht ausgebrochen. Doch die Neugier auf die „Randsportart“ Fußball ist durch die Siegesserie des Nationalteams jenseits des großen Teichs auf jeden Fall geweckt, meint der ehemalige Bundestrainer.

Im Finale des Gold Cups - des kontinentalen Championats von Nord- und Mittelamerika - kann Klinsmann gegen Panama seinen ersten Titel als US-Coach holen. „Die Amerikaner halten sehr viel von Statistiken und Rekorden. Und deshalb ist das hier ein großes Thema“, sagte Klinsmann in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.

Der nationale Rekord von zehn Siegen in Serie habe das öffentliche Bild des Nationalteams bereits verändert: „Ich würde sagen nachhaltig“, erklärte der Weltmeister von 1990. Schon zuvor hatte Klinsmann über das „riesengroße Potenzial“ geschwärmt, das im US-Soccer schlummert: „In allen Bereichen von den Clubs über die Nachwuchsförderung bis zur A-Mannschaft. Der Fußball ist ein gigantischer Markt hier, auch wenn die großen amerikanischen Sportarten im Vordergrund stehen.“

Plötzlich entdeckt auch die Basketball- und Football-Nation USA eine zarte Liebe zum Soccer und zu Klinsmann. „Geduld zahlt sich aus“, titelte die „Los Angeles Times“ nach dem 3:1-Halbfinalerfolg gegen Honduras - so eine Siegesserie hatte es zuvor nicht gegeben. Nach der anfänglichen Skepsis, die dem Deutschen entgegengebracht worden war, hält Klinsmann inzwischen sogar eine zeitnahe Verlängerung seines Vertrages mit dem US-Verband für möglich. Bisher läuft sein Kontrakt bis zur WM 2014 in Brasilien.

„Vorstellbar ist alles. Jetzt wollen wir aber erst mal am Sonntag den Gold Cup holen. Das wäre ein großartiger Erfolg“, erklärte der einstige Bundestrainer: „Ich hatte immer Lust, langfristig zu arbeiten. Allerdings müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen.“ Logischerweise werde er in den USA nun auch immer mehr auf der Straße erkannt, berichtete Klinsmann: „Wobei dennoch immer eine gewisse Zurückhaltung bei den Leuten da ist. Der Fußball genießt nach wie vor hinter Baseball, American Football und Basketball eine entspanntere Rolle.“

Seit zwei Jahren ist Klinsmann dabei, sein Nationalteam neu aufzustellen und zu strukturieren. Auch ihm selbst würde als US-Chefcoach nun „natürlich“ mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht, bemerkte der 48-Jährige: „Der Fußball ist hier weiterhin auf dem Vormarsch und vor allem die Nationalmannschaft als Lokomotive vorne weg. Wir haben beim Gold Cup imposante Zuschauerzahlen - das Turnier setzt neue Maßstäbe für Nord- und Mittelamerika mit Spielen, zu denen 70 000 oder 80 000 Zuschauer kommen“, sagte Klinsmann.

„Wir arbeiten uns Schritt für Schritt nach vorne um eines Tages hoffentlich mit den besten Mannschaften der Welt besser mithalten zu können. Noch sind wir dabei, die Grundlagen dafür infrastrukturell zu verbessern“, bemerkte der Wahl-Amerikaner. 2012 war bereits das beste Jahr in der Geschichte der US-amerikanischen Länderspiel-Geschichte. Nun hat Klinsmann mit seinem Team die Weltmeisterschaft in Brasilien im kommenden Jahr fest im Blick. In der Qualifikation stehen die USA mit 13 Punkten auf Platz eins.

Ob er das Gold-Cup-Finale in Chicago auf der Bank erleben darf oder nach seinem Platzverweis gegen Honduras auf die Tribüne muss, ist noch nicht entschieden: „Das wäre einfach schade. Und ich kann es mir auch kaum vorstellen. Wer mich kennt, weiß, dass ich zwar immer engagiert mitgehe, aber nichts gegen Schiedsrichter oder Gegenspieler sage oder mache“, sagte Klinsmann. „Ich habe nur aus Wut den Ball auf den Boden geknallt, weil unser Kapitän zuvor mehrmals brutal gefoult wurde. Die Fernsehbilder zeigen dies auch sehr deutlich.“