Türkei bejubelt EM-Qualifikation - „Jackpot gewonnen“
Konya (dpa) - Als die ersehnte EM-Qualifikation endgültig feststand, brach Kapitän Arda Turan vor Freude in Tränen aus.
Nach dem 1:0-Sieg der türkischen Fußball-Nationalmannschaft gegen Island rannten Spieler, Betreuer und Funktionäre euphorisiert in die Mitte des Platzes und fielen in einer Jubeltraube übereinander her. Turan herzte den späten Torschützen Selcuk Inan am Dienstagabend in Konya so innig, dass beide auf dem Boden landeten.
„Unser Land hat diese Freude gebraucht, und wenn sie nur zwei Stunden andauert“, sagte Nationaltrainer Fatih Terim nach der packenden Partie. Die Türkei hätten einen „nationalen Jackpot“ gewonnen, schrieb die Sportzeitung „Fanatik“ auf ihrer Titelseite. Auch Lukas Podolski, deutscher Nationalspieler in Diensten von Galatasaray Istanbul, schickte per Twitter „Glückwünsche“ an die „Milli Takim“.
In der Tat wirkt die Qualifikation für die Europameisterschaft im kommenden Jahr in Frankreich als bester Gruppen-Dritter sowohl in sportlicher als auch gesellschaftlicher Hinsicht wie Balsam für die türkische Seele. Denn in den vergangenen Jahren musste das fußballverrückte Land immer wieder zusehen, wenn ein großes internationales Turnier anstand. Der Drittplatzierte der WM 2002 hatte sich seit der EM 2008 für kein großes Turnier qualifiziert.
Auch jetzt sah es lange düster aus. Spätestens nach dem enttäuschenden 1:1 gegen Lettland Anfang September ging es nur noch um den dritten Platz. Wichtige Siege gegen die Niederlande (3:0) und Tschechien (2:0) sorgten dann für die überraschende Wende: Am letzten Spieltag war für die Türkei plötzlich die direkte Qualifikation genauso möglich wie ein Ausscheiden. Dabei lieferte sich die Elf mit den Holländern ein Fernduell um Platz drei.
Die entscheidende Partie gegen Island wurde zur emotionalen Achterbahnfahrt für alle Beteiligten. Gegen kompakt stehende Gäste strahlten Terims Schützlinge kaum Gefahr aus. Als der kurz vorher eingewechselte frühere Hamburger Gökhan Töre für ein brutales Foul die Rote Karte sah (78.), wurde die Anspannung im Stadion noch größer. Dann die 89. Minute: Mit einem herrlichen Freistoß aus rund 25 Metern in den Winkel sorgte Inan für nationalen Jubel.
Nach dem Abpfiff schien es, als würden sich die Fans im Stadion stellvertretend für ein ganzes Land den Schmerz von der Seele schreien. Am vergangenen Samstag waren bei einem Bombenanschlag auf eine regierungskritische Demonstration in der Hauptstadt Ankara 97 Menschen getötet worden. Die Spannungen, die das Attentat im Land auslöste, wurden auch während der Partie in Konya, einer Hochburg der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, offensichtlich.
Eine Schweigeminute für die Opfer begleiteten Zuschauer mit lauten Buhrufen und Pfiffen - was viele bei Twitter als Ausdruck der Verachtung für die Toten kritisierten. Unter dem Hashtag #UtanKonya („Schäm dich, Konya“) brach dort ein Sturm der Entrüstung los.
Ganz für Ablenkung sorgen konnte das sportliche Großereignis also nicht, dabei dürfte die Entwicklung der Nationalelf für einigen Optimismus sorgen. Der sportliche Umbruch ist in vollem Gange. Junge Spieler wie Hakan Calhanoglu (Bayer Leverkusen), Oguzhan Özyakup (Besiktas Istanbul) oder Ozan Tufan (Fenerbahce Istanbul) sind Stützen der Mannschaft. Unter dem erfahrenen Terim, der als großer Motivator gilt, sind die Hoffnungen auf eine erfolgreiche EM groß.