Kein „Zwitscher“-Verbot für Özil und Co.
Bremen (dpa) - Sami Khedira informiert dreisprachig über sein Leben. Mesut Özil zeigt Fotos von seinem Spanisch-Sprachkurs, und Sven Bender postet nach seiner Kopfblessur die Diagnose. Das Internet ist zur Plattform der Nationalspieler geworden.
Der DFB sieht dies mit Sorge.
„Glück gehabt nix gebrochen!!!!“ Die via Facebook verschickte Entwarnung von Sven Bender war Anlass zur Erleichterung - bei Borussia Dortmund und bei der Nationalmannschaft. Ausgiebige Internet-Aktivitäten ihrer Spieler bereiten Bundestrainer Joachim Löw und DFB-Teammanager Oliver Bierhoff im EM-Jahr aber auch Kopfzerbrechen.
Soziale Netzwerke untergraben die streng regulierte Informationspolitik beim Nationalteam. Brisante Einträge bei Facebook oder offenherziges Gezwitscher bei Twitter könnten den Frieden im EM-Quartier im Sommer gefährden, so die Befürchtung.
„Es wird wichtig sein, einen gewissen Spagat zu schaffen. Es geht nicht um eine Verneinung der Medien, jeder Spieler hat Twitter und Facebook“, sagte Bierhoff in Bremen, warnte aber zugleich: „Die Vertraulichkeit hat uns stark gemacht.“ Vor dem Länderspiel gegen Frankreich will Bierhoff den Spielern einen Leitfaden an die Hand geben, welche Einträge und Botschaften an das Millionenpublikum im Internet erlaubt sind - und wie die Grenzen für den DFB aussehen.
Die Gefahr der Verbreitung strenggehüteter Interna aus dem Teamhotel oder vom Trainingsplatz lauert in jedem Handy jedes Profis. Man wolle den Spielern nun zeigen, wo im Internetdschungel „ein Stoppschild ist und er nicht weitergehen kann“.
Größere Verfehlungen sind im DFB-Team bislang im Gegensatz zum englischen Fußball nicht bekannt. Auf wenig Gegenliebe stieß bislang nur die eigenmächtig verkündete Abreise von André Schürrle aus dem DFB-Lager vor dem Niederlande-Spiel im November. „Kann heute Abend leider nicht spielen, wegen eines grippalen Infektes:(( sehr sehr schade, hatte mich schon richtig gefreut:( liebe grüße“, twitterte der Leverkusener, obwohl die Sportliche Leitung den Ausfall lieber noch geheim gehalten hätte.
Definitiv auf den Index kommen noch vor dem EM-Start vertrauliche Team-Infos und auch Urteile über Gegner wie Kollegen. Öffentliche Motzereien oder unbedachte Provokationen sollen unbedingt verhindert werden. Vor dem Einzug der schwer kontrollierbaren Sozialen Netzwerke waren Mitteilungen oder gar Medien-Tagebücher aus dem Nationalmannschaftsumfeld während eines Turniers beim DFB grundsätzlich tabu.
Nun muss sich der DFB an den technologischen Realitäten messen lassen. Auch Per Mertesacker nutzte vergangene Woche das Soziale Netzwerk, um nach siebentägigem Schweigen Fans und Öffentlichkeit über den Heilungsprozess seines operierten Knöchels zu unterrichten. Lars Bender schickte dem Bundestrainer auch noch ein Handy-Foto von seinem lädierten Gesicht. Im Internet können Fans auch Fotos von Mesut Özils Spanisch-Sprachkurs oder Holger Badstuber samt Fotograf Bastian Schweinsteiger beim Friseurbesuch sehen.
Ein grundsätzliches Verbot wäre unrealistisch und unglaubwürdig. Der DFB ist schließlich selbst via Facebook und Twitter aktiv - dort werden die Mannschaftsaufstellungen als erstes kommuniziert, wie im Fall des verletzten Mertesacker einfach mal gute Besserung gewünscht oder das neue grüne Auswärtstrikot vermarktet.
Die Aktivitäten der Nationalspieler sind noch sehr unterschiedlich. Die jungen Dortmunder Mario Götze, Sven Bender oder Mats Hummels zeigen sich Internet-affin. Andere wie Philipp Lahm oder Cacau nutzen die Plattformen, um für ihre sozialen Aktivitäten zu werben. Simon Rolfes ist im derzeitigen Kader einer der wenigen Facebook-Verweigerer - und steht auch öffentlich dazu. Auch Miroslav Klose nutzt noch andere Wege. Er schickt dem DFB-Trainerstab immer mal wieder eine SMS.